Todesdrang: Thriller (German Edition)
dich«, unterbrach ihn ein eisiges Flüstern.
Wie versteinert stand Dirk da. Seine Finger umklammerten krampfartig den Hörer, bis sie ebenso blutleer waren wie sein bleiches Gesicht.
»Wer spricht da?«, fragte er zögerlich.
»Dein schlimmster Alptraum«, zischte die Stimme.
Dirks Puls raste, und es wurde ihm eng um die Brust. »Kuhn, sind Sie das?« Seine Handflächen schwitzten, obwohl sie eiskalt waren. Durch den Hörer drang nichts als eine unheimliche Stille an sein Ohr. Dann klickte es in der Leitung, und die Verbindung war unterbrochen.
»Wer war das?« Ankes Frage klang wie ein banges Flehen.
Dirk rührte sich nicht. In den Ohren hörte er sein eigenes Blut rauschen.
»Das war er, nicht wahr?« Ihre Stimme klang panisch.
Dirk nickte, während er wie in Zeitlupe den Hörer sinken ließ.
»Was hat er gesagt?«
»Dass er mich beobachtet.«
Anke schlug die Hände vors Gesicht. »Gott, was sollen wir nur tun?«
Langsam löste sich Dirk aus seiner Lähmung. Er sah auf seine Armbanduhr, suchte in der Schublade der Kommode nach Zettel und Stift und begann damit, sich Notizen zu machen.
»Was tust du da?«, fragte Anke und wischte sich die Tränen von den Wangen.
»Ich notiere mir Datum und Uhrzeit des Anrufs«, erwiderte Dirk, nun wieder gefasster. »Gleich morgen früh werde ich diesen Antrag stellen, von dem Friedrich gesprochen hat, und zwar für alle Anschlüsse. Dann werden wir hoffentlich bald wissen, wer dieses Schwein ist.«
»Willst du Friedrich nicht direkt informieren?«
Dirk gab ein abfälliges Zischen von sich. »Du hast doch gehört, was er gesagt hat. Die können nichts tun, solange sie keinen konkreten Verdacht haben. Was hätte das also für einen Sinn?«
»Vielleicht den, dass ich mich dadurch besser fühlen würde?«
Er ging zu ihr und setzte sich neben sie. »Ich kümmere mich darum, okay?«
»Das wird ihn nicht davon abhalten, weiter hier anzurufen.«
»Doch«, sagte Dirk. »Und wenn wir eine Geheimnummer beantragen müssen, aber es wird aufhören, das verspreche ich dir.« Er küsste sie erneut auf die Stirn. »Mach dir keine Sorgen. Ich finde das Schwein.«
Und er wusste auch schon, wo er gleich morgen früh nach ihm Ausschau halten würde.
Vierter Tag
25. Februar
D irk saß in seinem Büro und spähte durch die gläserne Front des Raumes auf die gegenüberliegende Seite des Flurs, wo sich Christian Kuhns Büro befand. »Anlageberatung« stand auf der durchsichtigen Tür unter seinem Namen. Kuhn selbst jedoch war nicht da. Er hatte an diesem Montagmorgen in der Bank angerufen und sich entschuldigt, er habe starke Zahnschmerzen und käme um einen Arztbesuch nicht herum. Seitdem – es war inzwischen Viertel nach elf – hatte er sich nicht mehr gemeldet, was in Dirk den Verdacht aufkommen ließ, dass er ihm absichtlich aus dem Weg ging.
Christian Kuhn war 32 Jahre alt und arbeitete seit nunmehr vier Jahren für die Bank. In dieser Zeit hatte er sich durch Abendkurse und Weiterbildungsseminare vom einfachen Bankkaufmann zum Fachwirt für Finanzberatung hochgearbeitet und als Anlageberater den Kunden und nicht zuletzt der Bank zum Teil erhebliche Renditen beschert. Dirk indes war Kuhn trotz seines raschen beruflichen Aufstiegs von Anfang an unsympathisch gewesen. Seine braunen, stets in Form gekämmten Haare wirkten ebenso streng wie der Blick seiner wieselartigen, eng aneinanderliegenden Augen, die zwar eine bemühte Freundlichkeit vermittelten, aber auch etwas Unberechenbares ausstrahlten. Kunden gegenüber verhielt sich Kuhn immer äußerst höflich und korrekt. Doch wenn er allein in seinem Büro saß und in seine Arbeit vertieft war, machte er auf Dirk gelegentlich den Eindruck eines getriebenen Strebers, der über Leichen geht. Dennoch schien Bernd Konrad, der Leiter der Filiale, ziemlich große Stücke auf Kuhn zu halten, weshalb sich Dirk notgedrungen mit ihm abfinden musste. Seine Abneigung Kuhn gegenüber war kein Geheimnis. Oft traten ihre Meinungsverschiedenheiten auf internen Konferenzen offen zutage. Womöglich, dachte Dirk, schielte Kuhn auf seinen Posten, untergrub seine Autorität und wollte ihn zu Fehlern provozieren. Aber das würde er niemals zulassen, nicht, solange er am längeren Hebel saß. Niemand würde ihm mehr ungestraft eine Rotzkugel ins Gesicht schießen und sich über ihn lustig machen. Und niemand hatte das Recht, ihn und seine Familie zu terrorisieren!
Doch Dirk hatte viel zu viel zu tun, um sich länger den Kopf über Kuhns mögliche
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