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Todesengel: Roman (German Edition)

Todesengel: Roman (German Edition)

Titel: Todesengel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Zorn, an dessen Gerechtigkeit er sich die letzten Tage so schön gewärmt hatte, verdampfte und verrauchte, ohne dass er ihn hätte halten können. »Ich habe mir überlegt, wir haben aus dem Vorspann des Videos doch den Namen des Jungen: Sven Dettar. Wir könnten –«
    »Vergiss es«, fauchte Rado. »Ver-giss-es. Denk nicht mal dran.« Er schnaufte schwer. »Ich muss gleich den juristischen Zerberus des Oberbürgermeisters zurückrufen, und ich weiß jetzt schon, was der mir alles an den Kopf werfen wird. Behinderung polizeilicher Ermittlungen, Verletzung des Persönlichkeitsrechts, Verstoß gegen das Presserecht, you name it . Wir machen nichts mit diesem Namen. Das Video ist raus, steht schon x-fach bei YouTube, da kann man nichts mehr machen. Aber wir gießen kein Öl mehr ins Feuer.« Rado räusperte sich vernehmlich. »Und mit wir meine ich in erster Linie dich .«
    Ingo sackte in sich zusammen. »Okay, okay.«
    »Ich habe alle Leute vergattert, nichts mehr zu senden, was du ihnen in die Hand drückst«, erklärte Rado streng. »Sämtliche Einspieler werden künftig mit mir abgesprochen. Ausnahmslos.«
    »Aber die Sendung ist doch erfolgreich, oder?« Ingo ging zum Bett zurück, bedauerte es, die Decke weit aufgeschlagen gelassen zu haben, denn nun war es darin kalt. »Ich musste gestern Abend mindestens hundert Autogramme geben.« Die Erinnerung daran kam ihm vor wie die Erinnerung an einen angenehmen, wenn auch völlig irrealen Traum.
    »Ja, die Sendung läuft ziemlich gut«, gab Rado zu. Wahrscheinlich verkaufte er die Werbeblöcke davor und dahinter für neue Rekordsummen. »Ich hab immer gesagt, Fernsehen ist dein Ding. Aber gerade weil die Sendung ein Erfolg ist, will ich nicht, dass jemand mit einer einstweiligen Verfügung kommen und uns den Laden dichtmachen kann. Genau deshalb müssen wir uns an jeden Buchstaben des Presse- und Medienrechts halten, als sei es Gottes Wort, verstehst du?«
    Der externe IT-Spezialist, den der Innenrevisor herbestellt hatte, sah aus wie dessen großer Bruder. Er kam herein, sagte nicht »Guten Tag« und nicht »Hallo«, sah nur kritisch zur Decke, meinte: »Stromsparer, was?«, und hockte sich dann einfach an Ennos Computer. Dort fuhrwerkte er eine Weile wortkarg auf der Tastatur herum. Als der Bildschirm voller Textzeilen war, spitzte er die Lippen, furchte die Brauen und meinte: »Tscho. Das ist Kraut und Rüben.«
    »Was heißt das?«, fragte der Revisor unwirsch.
    »Die fragliche Datei hat read -Recht others . Das soll ja schon mal bestimmt nicht so sein. Und bei den anderen Dateien ist es nicht besser.«
    »Können Sie das so erklären, dass es auch ein normaler Mensch versteht?«, wollte Ortheil wissen.
    Der IT-Mann warf dem Staatsanwalt einen Blick zu, der deutlich erkennen ließ, dass er das für ein nahezu unsittliches Ansinnen hielt. Aber er holte tief Luft, lehnte sich zurück und sagte: »In einem UNIX-System werden die Zugriffsrechte auf Dateien in drei Klassen verwaltet. Jede Datei gehört einem Eigentümer, der wiederum kann einer Gruppe angehören – und dann gibt es noch alle anderen . Die Klassen nennt man owner , group und others . Für jede Datei kann man festlegen, welche dieser Klassen sie lesen, verändern oder ausführen darf – read, write und execute . So weit klar?«
    Ambick beobachtete den Staatsanwalt. Der wirkte nicht so, als habe er auch nur ansatzweise verstanden, wovon die Rede war, aber er nickte trotzdem und sagte: »Und weiter?«
    »Ich stell mir das so vor, dass die Accounts aller Leute, die in einer bestimmten Ermittlergruppe zusammenarbeiten, in einer User-Gruppe zusammengefasst sind. Und dass die Dateien der Fälle nur für diese group zugänglich sind. Wäre zumindest vernünftig.«
    »Darum handhaben wir das auch genau so«, warf Enno mit finsterer Miene ein. Er lehnte mit verschränkten Armen an der Wand und missbilligte es sichtlich, dass sich ein Fremder an seinem Platz breitmachte.
    »Tscho«, sagte der IT-Mensch. »Aber ungefähr die Hälfte aller Dateien hat irgendwelche Rechte in der others -Klasse gesetzt. Hier – die Datei hier hat das Execute-Recht, aber kein Leserecht, was schon mal ziemlich sinnlos ist. Die hier darf man ändern, aber nicht lesen. Und so geht es weiter.«
    Jetzt trat Enno hinter ihn, streckte den Kopf vor und bekam große Augen. »Ja, Scheiße …«, flüsterte er. »Wie ist denn das möglich?«
    Ortheil sah Ambick fragend an. Eine Steilvorlage: Ambick erwiderte den Blick, zog ein ratloses Gesicht

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