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Todesengel: Roman (German Edition)

Todesengel: Roman (German Edition)

Titel: Todesengel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Buchstaben, rot unterstrichen: Sag allen, dass ich von jetzt an über diese Stadt wache. Und dass ich alle bestrafe, die sich an Schwachen vergreifen.
    »Wie«, fragte er mit Unheil verkündendem Flüstern, »konnte das passieren?«
    Ambick hatte diese Zeitung auf dem Weg ins Büro schon gesehen. Und andere, die ähnlich titelten. Das Abendblatt hatte eine Sonderausgabe gedruckt, um morgens mit dabei zu sein, und zeigte auf seiner Website eine längere Fassung des Videos. Das sie der Polizei gestern Abend noch pflichtschuldigst per Mail übermittelt hatte.
    »Keine Ahnung«, sagte er.
    »Es ist eindeutig unser Verhörvideo«, beharrte Ortheil.
    »Sieht ganz so aus«, räumte Ambick ein.
    »Das ist ein Fall für die Innenrevision.«
    »Sehe ich auch so.«
    Der Innenrevisor, der kurze Zeit später auftauchte, war ein griesgrämiger, untersetzter Unsympath, der etwas von einem blutrünstigen Frettchen an sich hatte. Er pflanzte sich unaufgefordert hinter den nächsten freien Schreibtisch, schlug die Mappe auf, die er mitgebracht hatte, musterte Ambick misstrauisch und fragte: »Haben Sie jemanden im Verdacht?«
    Ambick sah ihn an und erklärte: »Ich lege für jeden meiner Mitarbeiter die Hand ins Feuer.«
    Das konnte er mit der Überzeugungskraft dessen sagen, der weiß, dass er die Wahrheit spricht. Denn dass es keiner von seinen Mitarbeitern gewesen war, das wusste Ambick schließlich genau.
    »So, so«, brummte der Innenrevisor, Ambicks Statement in exakt der erhofften Weise missverstehend. »Okay. Werden wir sehen. Irgendjemand muss das Video ja an die Presse gegeben haben. Ich werde einen externen IT-Spezialisten hinzuziehen, der uns in solchen Fällen schon öfter geholfen hat, und ihn bitten, zu eruieren, wer alles Zugang zu der Datei hatte. Anschließend werde ich die Betreffenden einzeln befragen. Sie bewahren über diesen Vorgang einstweilen Stillschweigen.«
    »Versteht sich«, sagte Ambick.
    Er wusste selbst nicht, was ihn geritten hatte, diesem Journalisten das Video der Vernehmung zu schicken. Natürlich war er nicht dafür, zur Selbstjustiz zurückzukehren – die Gründe, aus denen sich die Menschheit von dieser Art und Weise, Streitigkeiten beizulegen, verabschiedet hatte, waren richtig und würden richtig bleiben. Doch die Art und Weise, wie Ortheil diesen Fall handhabte, wie er die Angelegenheit zu vertuschen und zu verstecken versuchte, gefiel ihm nicht. Vielleicht war es das: diese Heimlichtuerei. Wieso diese panische Angst, die Allgemeinheit könnte erfahren, was vor sich ging, womöglich darüber diskutieren, an Stammtischen, auf der Straße, in Internetforen? Befürchtete der Staatsanwalt, die Menschen könnten den Racheengel anders beurteilen als er?
    Oder hatte er Angst, das Auftreten einer solchen Figur könnte als Zeichen verstanden werden, dass die Gesellschaft im Umgang mit der Gewalt versagte?
    »Sag mal, bist du von allen guten Geistern verlassen?« Rado war auf hundertachtzig. »Du kannst doch nicht so ein Material ohne jegliche Rücksprache einfach senden! Himmel noch mal, da ist man einmal weg, und dann so etwas. Muss ich wegen dir den Produktionsplan umschmeißen, damit du nicht mehr live bist, oder was?«
    »Ich weiß ja nicht, an wen das Video alles geschickt worden ist. Wenn ich es nicht verwendet hätte und ein anderes Blatt wäre damit vor uns rausgekommen – ich möchte nicht wissen, was du mir dann erzählt hättest«, verteidigte sich Ingo. Es war noch früh am Morgen, für seine Verhältnisse zumindest. Und er mochte es nicht, früh am Morgen per Telefon angeschrien zu werden. »Wo warst du überhaupt?«
    »Das geht dich einen feuchten Dreck an.« Er bekräftigte das mit einem serbokroatisch klingenden Schimpfwort, um etwas weniger aufgebracht hinzuzufügen: »Klausursitzung mit dem Vorstand. Da denk ich sowieso jedes Mal, ich sollte kündigen und was Ordentliches aus meinem Leben machen. Und dann so was!«
    Ingo sehnte sich nach einem Kaffee. Außerdem war ihm kalt. Er stand im Schlafanzug da, barfuß auf dem nackten Boden, und durch das Fenster, das die Nacht über offen gestanden hatte, zog es kühl und feucht herein. »Ja, danke«, sagte er. »Du hast mich auch ins Messer laufen lassen mit diesem Professor Neci.«
    »Wieso? Mit dem bist du doch bestens fertiggeworden. Hab ich übrigens nicht anders erwartet; diese Typen reden schließlich alle den gleichen Stuss.«
    »Ähm«, machte Ingo und wusste nicht mehr, was er weiter hatte sagen wollen. Er spürte nur, wie sein

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