Todesfahrt: Thriller (German Edition)
Meter sein, und sie zweifelte daran, dass sie tatsächlich unbemerkt geblieben waren. Mit der Vorstellung, dass die Piraten bereits auf dem Schiff in Stellung gingen, um sie abzufangen, schaltete sie den Antrieb an und drehte an dem kleinen Handrad, das aus Platzgründen anstelle einer Ruderpinne als Steuer diente.
Ein Flitzer war das Schlauchboot nicht gerade, doch der Elektromotor war kaum zu vernehmen. Auch die Schraube war so geformt, dass sie möglichst wenig Lärm machte. Es gelang Henriette, fast bis unter das Heck der Lady zu kommen. Dort schaltete sie den Antrieb ab und griff zum Paddel.
Als Petra das andere Paddel nehmen wollte, hielt sie sie auf und raunte ihr »Tu’s nicht!« ins Ohr. Sie durfte nicht riskieren, dass ihre unsportliche Freundin das Paddel zu stark ins Wasser klatschte.
Sie hatten noch etwa fünfzig Meter bis zu der Luke zurückzulegen, doch die Strömung stand gegen sie, und so wurde es für Henriette neben der körperlichen Anstrengung auch eine Nervenprobe, weil sie sich ihrem Ziel mit der Geschwindigkeit einer gemütlich kriechenden Schnecke näherten.
Endlich ragte der Rumpf der Lady of the Sea dicht vor ihnen auf. Petra öffnete den Beutel mit ihrer Ausrüstung und zog das kleine Funkgerät heraus, mit dem sie die Torverriegelung steuern konnte.
»Soll ich?«, wisperte sie Henriette zu.
»Ja«, kam es ebenso leise zurück.
Petra tastete mit dem Daumen nach dem Knopf und strahlte den vorprogrammierten Code ab.
Einige Sekunden lang tat sich über ihnen nichts, dann ertönte ein Geräusch, das an ein Schmatzen erinnerte, und etwa drei Meter über ihnen schwang ein etwa ein mal ein Meter großes Luk auf.
Jetzt kam der schwierigste Teil, nämlich ein Hakenseil so in der Luke zu befestigen, dass sie hinaufklettern konnten. Zwar hatte Henriette in Djibouti eine Zeit lang mit einem solchen Ding trainiert, doch als sie den Haken in die Hand nahm und ein entsprechend langes Stück Seil abmaß, hatte sie das Gefühl, alles wieder verlernt zu haben. Mit zusammengebissenen Zähnen schwang sie den Kunststoffhaken im Kreis und ließ ihn dann los. Er schoss fast gerade in die Höhe, neigte sich im Bogen über das Luk und schlug mit einem leichten Geräusch drinnen auf.
Henriette wartete einen Augenblick, um sicherzustellen, dass niemand auf sie aufmerksam geworden war. Schließlich zog sie an dem Seil und betete, dass der Haken irgendwo hängen blieb. Ein kaum hörbares Klacken ertönte, und das Seil straffte sich. Henriette amtete erleichtert auf, hielt aber sofort die Luft an, weil sie vor dem Geräusch erschrak. Dann befestigte sie das andere Ende des Seils am Boot, damit dieses nicht abtreiben konnte, und zog Petra so nahe an sich heran, dass ihr Mund deren Ohr berührte. »Ich gehe als Erste«, raunte sie.
Petra sah nach oben und schüttelte den Kopf. »Das schaffe ich nicht. So hoch kann ich nicht klettern!«
»Keine Sorge, ich kriege dich schon nach oben.« Henriette suchte nach einer Leine, schlang sie Petra unter den Achseln durch und verknotete sie vor ihrer Brust. Das andere Ende befestigte sie an ihrem Gürtel. Erst als sie sich ihr Kampfmesser in den Stiefel schieben wollte, fiel ihr auf, dass sie und Petra noch immer die unförmigen Overalls trugen. Sie hier draußen auszuziehen erschien ihr jedoch zu riskant. Daher klemmte sie sich den Messergriff zwischen die Zähne und kletterte nach oben.
Nach ein paar kräftigen Armzügen hatte sie die Luke erreicht. Sie lauschte kurz und schwang sich, als sie nichts hörte, lautlos hinein. Innen war es so dunkel wie in einer Neumondnacht, doch als sie ihre Umgebung tastend erkundete, merkte sie rasch, dass sie sich in einer kleinen, höchstens zwei auf drei Meter großen Kammer befand. Was vor der massiven Tür los war, die diesen Raum versperrte, konnte sie nicht feststellen. Im schlimmsten Fall lag dort ein Dutzend bis an die Zähne bewaffneter Piraten auf der Lauer, die nur darauf warteten, dass die Tür aufging. Henriette hoffte allerdings, es sei nur ein leerer Wartungsgang, der weiter vorne in einen der Maschinenräume mündete.
Ein Zupfen an dem Seil, das sie mit Petra verband, erinnerte sie an ihre Kollegin. Da sie ihr nicht zurufen konnte, dass sie sie jetzt hochziehen würde, zupfte sie ebenfalls kurz und begann, das Seil einzuholen. In den nächsten Minuten verfluchte sie jede einzelne Pizza, jeden Muffin und jeden Hamburger, die Petra in den letzten zehn Jahren verspeist hatte.
Diese versuchte zwar mitzuhelfen, aber
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