Todesfahrt: Thriller (German Edition)
Ihnen gerne ein Bild gezeigt, aber in dieser Verkleidung konnte ich solche Erinnerungen nicht mitnehmen.«
Jabir klopfte Hans auf die Schulter. »Andere mögen dies für unsentimental halten, aber ich hätte es auch nicht getan. Sieht jemand durch Zufall so ein Bild, kann es den Unterschied zwischen einer gesunden Heimkehr und einem Erdloch bedeuten, in dem man verbuddelt wird.«
»Es ist auf jeden Fall ein Risiko, das ich nicht eingehen wollte. Ich möchte halbwegs heil zu meiner Frau und meiner Tochter zurückkehren! Außerdem habe ich ihr Bild hier.« Hans klopfte sich mit dem Knöchel gegen die Stirn und kämpfte gleichzeitig gegen die Sehnsucht nach seiner Familie an.
»Sie sind ein tapferer Mann, Borchart. Ich hoffe, dass ich, sollte ich einmal in dieselbe Lage kommen wie Sie, meinem Land ebenso dienen kann. Aber jetzt sollten Sie sich schlafen legen. Ich wecke Sie gegen Mitternacht. Dann halten Sie bis vier Uhr Wache, und den Rest übernehme ich wieder. Morgen bringe ich Sie dann nach Laasqoray und sehe zu, dass ich an Informationen über die Schießerei von heute Morgen komme.«
Hans musste bei seinen Worten an Torsten, Petra, Henriette und deren vermissten Bruder denken. Möglicherweise konnte Major von Tarow aus einem dummen Zufall heraus genau in dieses Gefecht geraten sein, sagte er sich und machte sich noch mehr Sorgen.
SECHS
S
ayyida starrte verärgert auf den Vorhang, der sie von den Männern im Raum trennte. Eigentlich hätte sie gleichberechtigt unter ihnen sitzen müssen, doch die Vertreter der radikalen Islamisten hatten sich strikt geweigert, eine Frau als Gesprächspartnerin zu akzeptieren. Daher saß sie in einem abgetrennten Teil im Dunkeln, sodass sie die Männer durch den Vorhang belauschen konnte, aber selbst nicht gesehen wurde.
Zwar konnte sie gelegentlich ihrem Vater ein paar Worte zuflüstern, damit er in ihrem Sinne antwortete, doch ansonsten hatte sie keinen Einfluss auf das Gespräch. Diese Situation empfand sie als demütigend. Um ihren Ärger zu kanalisieren, überlegte sie sich, was sie mit den Anführern der Al-Shabaab und den anderen aufgeblasenen Clanführern und Warlords anstellen würde, wenn sie endlich über die Macht im Land verfügte.
Eben forderte einer der radikalislamistischen Abgesandten, dass ihr Vater das Gebiet, welches er kontrollierte, für ihre Milizen öffnen und sich mit ihnen verbünden sollte.
»Gemeinsam werden wir die Isaaq-Separatisten niederwerfen und eine islamische Republik errichten, die einmal das gesamte von uns Somalis bewohnte Gebiet umfassen wird«, rief er aus.
»Das bedeutet Krieg mit Äthiopien und Kenia«, wandte Abdullah Abu Na’im ein. Der Saudi war mit seinem Privatjet tief in der Nacht auf dem Flugfeld von Laasqoray gelandet, um seiner Schwägerin von seinen Verhandlungen mit der deutschen Regierung zu berichten. Diese zogen sich länger hin, als er erwartet hatte, doch ebenso wie Sayyida war er sicher, dass die Deutschen nachgeben würden. Jeder Tag, den die Geiseln sich länger in der Gewalt ihrer Männer befanden, würde den Widerstand der deutschen Kanzlerin weiter schwächen.
»Wir müssen unsere Stammesbrüder in Äthiopien und Kenia befreien, die Sklavenregime, die der Westen dort eingerichtet hat, vernichten und ihre Länder ebenfalls zu islamischen Republiken machen«, erklärte der Al-Shabaab-Vertreter soeben großspurig.
Der Saudi hielt wenig von islamischen Republiken, vor allem, wenn diese sich jene Länder als Vorbild nahmen, zu denen sein Heimatland in Konkurrenz stand. Noch weniger nach seinem Geschmack war ein großer Krieg, der ganz Ostafrika erschüttern würde.
»Das sind doch Hirngespinste!«, antwortete er mit einer wegwerfenden Handbewegung. »Uns geht es um jene Dinge, die man erreichen kann. Nach dem Mond zu greifen ist erst dann sinnvoll, wenn man die Rakete dafür hat. Solange Somalia aus einem Dutzend miteinander im Streit liegender Gruppierungen und Provinzen besteht, muss man sich damit begnügen, erst einmal diese zu unterwerfen. Und selbst das ist seit mehr als zwanzig Jahren niemandem mehr gelungen.«
»Wir werden es schaffen! Aus diesem Grund fordern wir euch auf, euch mit uns zusammenzutun. Gemeinsam können wir die Isaaq und die anderen rebellischen Stämme bezwingen.« Der Vertreter der Al-Shabaab ließ keinen Zweifel daran, wer in einer solchen Allianz das Sagen haben sollte, und stieß mit dieser Forderung die gemäßigteren Männer in der Runde vor den Kopf.
Diya Baqi Majid, der
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