Todesfahrt: Thriller (German Edition)
Straße lenkte und zwischen zwei Hügel hineinfuhr. »Hier werden wir lagern«, erklärte der Franzose. »Wir sind jetzt mehr als anderthalb Stunden gefahren und haben dabei über dreißig Kilometer geschafft. Morgen werden wir in Laasqoray zu Mittag essen.«
»Oder in der Hölle«, murmelte Hans, dem durch das ewige Schlagen und Stoßen des Beiwagens jeder Knochen im Leib wehtat. Dann aber dachte er an Torsten, der händeringend auf ihn wartete, und war froh, dass sie gut vorwärtskamen.
Plötzlich fielen ihm die Esel ein, die sie einfach neben der Straße zurückgelassen hatten. Als er Jabir darauf ansprach, winkte dieser ab.
»Die werden sich einmal satt fressen und dann bald gefunden werden. Weit seid ihr ja nicht gekommen. Ihr hattet ja kaum die Hälfte der Strecke zurückgelegt wie wir jetzt. Steigen Sie aus und suchen Sie sich ein Plätzchen zum Ausruhen. Mit einem Lagerfeuer kann ich Ihnen allerdings nicht dienen, denn ich will niemanden auf uns aufmerksam machen. Die meisten Bewohner der Dörfer der Umgebung sind geflüchtet, und wer sich jetzt noch hier herumtreibt, gehört zu unseren ganz speziellen Freunden.«
Hans hinkte zu einem von der Sonne erwärmten Felsen und lehnte sich seufzend dagegen.
Mit einem aufmunternden Lächeln in seine Richtung holte der Franzose zwei Flaschen Mineralwasser und mehrere Fladenbrote aus seiner Gepäcktasche und teilte sie mit ihm. »Um die Zeit sieht die Steppe ganz friedlich aus. Trotzdem muss im Osten geschossen worden sein. Schätze aber, dass es nicht in Laasqoray war. Dafür klangen die Schüsse zu dünn.«
»Ich habe nichts gehört!«, sagte Hans und musterte Jabir fragend.
»Sie waren zu dem Zeitpunkt noch im Dorf, da dürfte der Schall durch die Berge abgelenkt worden sein. Außerdem war es sehr früh am Tag, und ich hatte mein Motorrad noch nicht angeworfen. Jetzt interessiert mich natürlich brennend, was da los war. Es kann von einem kleinen Grenzscharmützel bis zu einer Generaloffensive der Warsangeli gegen die Isaaq von Somaliland alles sein. Vielleicht sogar ein Gegenangriff der Isaaq, die sich nicht mit dem Verlust ihrer heiligen Stadt Maydh abfinden wollen. Das Gebiet hier ist nun einmal ein Hexenkessel, aus dem alle Beteiligten ihre Suppe löffeln wollen. Neben den hier lebenden Stämmen der Majerten, Warsangeli, Dulbahante und Isaaq mischen auch die radikal-fundamentalistische Al-Shabaab und die kaum weniger radikale Allianz für die Befreiung Somalias mit.
Die Fronten wechseln laufend, die Bündnisse ebenso. Seit neuestem aber sammelt sich hier eine Gruppierung, die mit brutaler Gewalt gegen jeden vorgeht, den sie als Feind ansieht. Bis jetzt weiß noch niemand, wer dahintersteckt. Manche meinen gar, es wäre eine Frau, die als Blutsäuferin bezeichnet wird.« Jabir verzog das Gesicht. »Das ist natürlich ein Märchen! Kein somalischer Krieger würde sich dem Kommando einer Frau unterstellen. Wahrscheinlich handelt es sich um die Ehefrau, Schwester oder Tochter eines Warlords, die die Freischaren begleitet und Verwirrung stiftet, damit der eigentliche Blutsäufer, wenn wir ihn so nennen wollen, im Hintergrund bleiben kann.«
»Sie kennen sich verdammt gut hier aus«, sagte Hans bewundernd.
Jabir blickte zum Himmel hoch, der innerhalb weniger Minuten dunkel geworden war und auf dem die ersten Sterne wie kleine Leuchtkäfer wirkten.
»Es ist mein Job, mich auszukennen, mein Freund. Ich gebe zu, es ist ein verdammt einsamer Job. Deshalb genieße ich einen Abend doppelt, an dem ich mit jemandem zusammensitzen kann, der meine Ansichten teilt. Zwar ist mein Job nicht ungefährlich, aber in ein paar Jahren kann ich damit aufhören. Dann werde ich in La France auf einem Bürostuhl sitzen und nach Feierabend zu meiner Familie nach Hause fahren und zum Abendessen Rotwein trinken.«
»Haben Sie eine Familie?«, fragte Hans.
»Derzeit noch nicht. Aber es gibt ein paar hübsche Mädchen in Djibouti, die genau wie ich einen Fremdenlegionär zum Vater und eine Issa als Mutter haben. Unter denen finde ich schon eine, die mit mir gehen will.«
Obwohl Jabir lachte, spürte Hans, dass es dem Franzosen mit der Sehnsucht nach einem geregelten Leben sehr ernst war. Sein Ehrgeiz war es jedoch, nicht in irgendeinem verrufenen Vorort zu enden, sondern in einem hübschen kleinen Viertel mit Einfamilienhäusern, in denen er als Monsieur Jabir seine Kinder auf eine gute Schule schicken konnte.
»Ich habe eine Frau und ein Kind«, sagte Hans leise. »Ich hätte
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