Todesfahrt: Thriller (German Edition)
noch waren sie bereit, einen Verstoß gegen die Regeln zuzulassen, die sie sich selbst gegeben hatten.
»Es ist eine Schande, wenn eine Frau in Männerkleidung herumläuft! Dafür muss sie bestraft werden«, erklärte einer von ihnen.
»So soll es sein!«, nahm Baha den Ball auf, der ihm zugespielt wurde. »Schon der Prophet, Allah segne ihn allezeit, hat bestimmt, dass keine Frau sich wie ein Mann kleiden soll …«
»Das stimmt nicht!«, unterbrach Jamanah ihn erregt. »Auf der Flucht von Mekka nach Medina haben mehrere Frauen in Mohammeds Begleitung die Kleidung von Männern getragen, um die Verfolger über die Zahl seiner Krieger zu täuschen.«
»Das ist ein Kindermärchen«, tat Baha ihren Einwand ab. »Dein Aufzug ist gegen das Gesetz und muss bestraft werden. Daher verurteile ich dich zu fünfzig Peitschenhieben. Danach wirst du in mein Zelt gebracht und mir vorerst als Magd dienen, bis ich dich für wert erachte, eine meiner Ehefrauen zu werden!«
Obwohl Baha keine Frau mochte, die mehr als einen halben Kopf größer war als er, musste er in diese saure Frucht beißen. Zwar war Jamanah nur eine wertlose Frau, aber es galt, ihre Abstammung in gerader Linie vom Stammesgründer Isaaq zu berücksichtigen. Aus diesem Grund hatte er für seinen Sohn Qusay bei ihrem Vater um sie angehalten. Mit dieser Heirat hatte er seine Bedeutung im Dorf stärken und gleichzeitig die Chancen seines Sohnes erhöhen wollen, einmal der neue Häuptling zu werden. Jamanahs Bruder war noch klein gewesen und hätte keine Chance gehabt, innerhalb der nächsten zwei Jahrzehnte seinem Vater nachzufolgen.
Obwohl die Männer, die zum neuen Ältestenrat zählten, ihre Zustimmung bekundeten, sahen nicht alle Stammesmitglieder so aus, als wären sie mit diesem Urteilsspruch einverstanden. Doch als ein Mann etwas zu Jamanahs Gunsten sagen wollte, zischte ihn Bahas Frau an. »Halte den Mund. In dieser Person steckt ein Dämon, der ihr ausgetrieben werden muss. Los jetzt, macht schon!« Während sie und die um sie versammelten Frauen rhythmisch klatschten, kamen mehrere junge Männer auf Jamanah zu und wollten sie ergreifen.
»Zurück!«, fauchte diese und hob ihre Kalaschnikow. »Der Erste von euch, der versucht, mich zu berühren, wird sterben!«
»Das ist unerhört!«, rief Baha wütend. »Du widersetzt dich dem Rat des Stammes und deinem Oberhaupt!«
»Wenn du es so siehst, ja! Welches Recht hast du eigentlich, dich zum Richter über mich aufzuschwingen? Welche Verdienste kannst du aufweisen? Als die Blutsäufer über uns gekommen sind, habe ich dich nur rennen sehen, während mein Vater und andere unser Dorf verteidigt haben und tapfer gestorben sind.«
»Ich bin der Vater des Mannes, den du hättest heiraten sollen, und daher dein Vormund!« Baha war klar, dass er dieses renitente Mädchen unbedingt zähmen musste, denn sonst waren seine Aussichten, Stammesanführer zu bleiben, sehr gering.
»Ach ja?«, antwortete Jamanah voller Wut. »War dein Sohn Qusay, mein Verlobter, denn nicht in jener Nacht der Wächter, der das Dorf behüten sollte? Warum hat er uns nicht rechtzeitig vor den Angreifern gewarnt? Sie sind mit Autos gekommen, daher hätte er sie hören müssen! Hat dein Sohn, mein Verlobter, vielleicht gar nicht gewacht, sondern in dieser Nacht geschlafen und damit den Untergang unseres Dorfes verschuldet?«
Die Anklage saß. Diejenigen, die aus Jamanahs Dorf entkommen waren, mussten an die Toten denken, die sie dort hatten zurücklassen müssen und die bei einer rechtzeitig erfolgten Warnung vielleicht nicht gestorben wären.
Baha bemerkte, wie ihm das Heft entglitt, und schrie die jungen Männer an. »Entwaffnet sie!«
Diejenigen, die Jamanah kannten, traten unwillkürlich einen Schritt zurück, doch vier der Fremden verständigten sich mit Blicken und stürmten auf Jamanah los.
Diese brachte es nicht über das Herz, auf ihre Landsleute zu schießen. Stattdessen rammte sie dem Vordersten den Kolben ihrer Kalaschnikow in den Leib und einem weiteren den Lauf. Während die beiden ächzend zusammensanken, gelang es den beiden anderen, sie zu packen. Jetzt fassten auch die Übrigen Mut und kesselten Jamanah ein. Jemand zerrte am Lauf ihres Sturmgewehrs, um es ihr zu entreißen, und zwei versuchten, ihr die Arme auf den Rücken zu drehen, um sie zu fesseln.
Ich hätte doch schießen sollen, durchfuhr es Jamanah, als sie von ihren Angreifern zu Boden gerissen wurde. In dem Augenblick klang ein wütendes Gebrüll auf, das
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