Todesfahrt: Thriller (German Edition)
Europäer fällt ja bei den Warsangeli oder in Puntland überhaupt nicht auf. Sie kommen keine Meile weit über die Grenze, dann haben Sie bereits eine Kugel im Leib.«
»Gibt es keine Möglichkeit, mich dort einzuschmuggeln?«, wollte Torsten wissen.
Während Omar Schmitt überlegte, nahm Al Huseyin eine Hand vom Steuer und machte eine verächtliche Handbewegung. »Ihretwegen werden wir unsere Spione in Puntland keiner Gefahr aussetzen.«
»Ich übernehme die Sache!«, erklärte sein Vorgesetzter scharf. »Irgendwie finden wir den Piratenhafen, zu dem das Schiff gebracht wird. Jetzt aber sollten wir zusehen, dass wir Berbera erreichen. Vielleicht wissen die maßgeblichen Leute dort schon mehr.«
DREI
A
nja Kainz blickte bewundernd auf ihre neue Helferin. Jamanah hatte eine rasche Auffassungsgabe und eine Geduld, mit den Patienten umzugehen, die ihr selbst fehlte. Sie wollte alles so schnell wie möglich erledigen, um sich rasch dem nächsten widmen zu können. Die junge Somali aber sprach mit den Menschen und nahm auf deren Lebensweise Rücksicht. Nur eines störte die Ärztin. Selbst im Hospitalzelt legte Jamanah niemals ihre Kalaschnikow ab, sondern trug sie über der Schulter, als erwarte sie jeden Augenblick einen Angriff feindlicher Milizen.
»Gut machst du das!«, lobte sie, als Jamanah einem Kind den Verband so anlegte, wie sie es ihr gezeigt hatte. Der Blick der Somali bewies der Ärztin, dass sie ihre Worte anhand der Stimmlage verstanden hatte. Im Grunde war die junge Frau als Helferin in jeder Hinsicht besser als der Mann, der ihr als Assistent zugeteilt worden war. Zwar hatte dieser angeblich Medizin studiert, stellte sich aber reichlich ungeschickt an. Auch fehlte ihm das Einfühlungsvermögen, das Jamanah auszeichnete.
»Ich freue mich, dass du zu mir gekommen bist«, sprach Anja Kainz weiter. Dabei war sie sich der sexuellen Anziehungskraft der hochgewachsenen Frau durchaus bewusst, kämpfte jedoch dagegen an. Schließlich war sie nach Afrika gekommen, um über der Arbeit ihre gescheiterte Beziehung zu ihrer langjährigen Freundin zu vergessen. Auch diese war hochgewachsen und schlank gewesen, und die junge Afrikanerin erinnerte die Ärztin ständig an ihre frühere Liebe.
Dabei schien die Somali in ihr nur die europäische Ärztin zu sehen, denn nichts in ihrer Haltung deutete darauf hin, dass die junge Frau ähnlich empfand wie sie.
Laute Rufe vor dem Zelt brachten die Ärztin in die Realität zurück. Sie sah, wie Jamanah aus dem Zelt lief. Auch die Verletzte, die von ihr versorgt worden war, stand auf und humpelte hinter ihr her. Der noch nicht fixierte Verband löste sich und flatterte als langes weißes Band hinter ihr her.
Draußen stand Dr. Kainz’ Assistent mit grauem, verzerrtem Gesicht, während im Lager immer mehr Frauen zu schreien und zu jammern begannen.
»Was ist los?«, fragte die Ärztin.
Ihr Helfer drehte sich zu ihr um, und sie bemerkte, dass er am ganzen Körper zitterte. »General Iqbals Brigade ist von den Feinden in eine Falle gelockt und bis auf den letzten Mann ausgelöscht worden. Jetzt steht kein einziger Soldat mehr zwischen uns und den mörderischen Milizen. Wir müssen sofort weg von hier!« Der Mann sah aus, als wolle er auf der Stelle davonlaufen.
Die Ärztin packte ihn am Ärmel. »Wir können die Leute hier nicht im Stich lassen.«
»Dann bringen die Mordbrenner uns alle um!«, rief der Mann und riss sich los. Die Ärztin folgte ihm ein paar Schritte, besann sich aber und kehrte ins Krankenzelt zurück. Dort traf sie auf einen jungen Offizier, dessen Gesicht zu einer Maske des Schreckens erstarrt war.
»Frau Doktor, packen Sie alles ein, was Sie mitnehmen müssen! Wir stecken nun mitten im Kriegsgebiet. Daher brechen wir dieses Lager umgehend ab und ziehen uns nach Xagal zurück. Aber wir werden es diesen verdammten Warsangeli und Dulbahante schon zeigen! Das hier ist unser Land, und wir werden es nicht diesen elenden Hunden überlassen.«
Die letzten Sätze klangen in Dr. Kainz’ Ohren eher wie das Pfeifen eines Kindes im Wald. Der Mann schien nicht das Geringste über die mörderischen Angreifer zu wissen und klammerte sich daran, dass es sich bei ihnen um die Nachbarstämme der Isaaq handelte, mit denen sie sich bereits seit Jahrzehnten herumschlugen. Sie selbst kannte die Gegebenheiten in Somalia zu wenig, um sich ein Bild machen zu können. Doch eines war ihr klar: Der Weg nach Xagal würde für viele der verletzten und geschwächten
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