Todesfahrt: Thriller (German Edition)
Bewohner dieses Lagers zum Todesmarsch werden.
Um das Schlimmste zu verhindern, hielt sie den unruhig von einem Fuß auf den anderen tretenden Offizier am Ärmel fest. »Wir brauchen Fahrzeuge für die Ausrüstung, die Kranken und das ganze Gepäck einschließlich der Zelte.«
»Wir haben nur einen einzigen Geländewagen. Den brauchen wir selbst, um zu unserem neuen Quartier zu gelangen.«
»Aber Sie können diese armen Menschen doch nicht durch die Hitze laufen lassen! Viele können sich ja nicht einmal auf den Beinen halten«, rief die Ärztin empört.
Sie erntete jedoch nur ein Schulterzucken. »Ich kann Ihnen nicht geben, was ich nicht habe«, erklärte er. »Wir werden Sie und Ihre medizinische Ausrüstung mitnehmen und das Hospitalzelt in Xagal sofort wieder für Sie aufschlagen. Dann sind Sie in der Lage, die Leute zu behandeln, sobald sie dort ankommen. Das ist alles. Jetzt beeilen Sie sich! In einer halben Stunde fahren wir los.«
»Und lassen mehr als zweitausend Menschen ohne Schutz zurück. Wenn diese Verbrechermilizen hier auftauchen, haben sie leichtes Spiel!« Dr. Kainz kämpfte mit den Tränen, doch der Offizier beachtete sie nicht weiter. Mit schriller Stimme befahl er ihrem Assistenten und zwei seiner Untergebenen, das Hospitalzelt abzubauen und samt dem medizinischen Material auf seinem Geländewagen zu verstauen.
»Die Frau Doktor kommt mit uns. Die anderen müssen zu Fuß gehen. Sie sollen so viel mitnehmen, wie sie tragen können!«
Die Aufforderung war der reinste Hohn, da die geschwächten Menschen nur einen Bruchteil dessen, was sie benötigten, transportieren konnten. Dies war auch dem Offizier klar. Doch der Befehl lautete, die Flüchtlinge und die einheimischen Bewohner aus diesem Teil der Provinz zu evakuieren, damit die Armee ungehindert gegen die Feinde vorgehen konnte.
Da neben seinem Gepäck und dem weitaus umfangreicheren von Dr. Kainz nur noch zwei seiner Männer Platz im Wagen fanden, teilte er die drei anderen den Flüchtlingen als Eskorte zu. Die Soldaten nahmen den Befehl mit einer Miene hin, als schicke er sie auf ein Himmelfahrtskommando. Resigniert halfen sie den Flüchtlingen, die Zelte abzuschlagen und so viel von den vorhandenen Vorräten mitzunehmen, wie sie tragen konnten.
Kurz vor der Abfahrt fasste der Offizier die sich sträubende Ärztin um die Taille, setzte sie auf seinen Wagen und gab seinem Fahrer den Befehl, Gas zu geben. Erst als das Gefährt anrollte, erinnerte Dr. Kainz sich wieder an Jamanah und sah sich suchend um. Die junge Frau kniete an der Stelle, an der bis eben noch das Hospitalzelt gestanden hatte, und starrte wie entrückt auf die Erde. Die Ärztin empfand einen kleinen Stich, dass Jamanah keinen Blick mehr für sie hatte, doch vor allem anderen wünschte sie ihr, den Weg bis Xagal unversehrt zu bewältigen.
Jamanah hatte in diesem Augenblick tatsächlich keinerlei Gedanken übrig für die freundliche Ärztin oder das Los der Flüchtlinge. Die Nachricht, General Iqbals Truppen seien vernichtet worden, hatte den Panzer um ihre Seele gesprengt. Nun stieg die Trauer um ihre ermordeten Angehörigen mit aller Gewalt in ihr auf und vermischte sich mit der Wut auf jene, denen es nicht gelungen war, ihr Dorf vor den Feinden zu schützen.
Als eine Frau auf sie zutrat und sie mit lautstarker Stimme aufforderte, sich gefälligst eine Traglast zusammenzusuchen und sich in den Treck nach Xagal einzureihen, schüttelte sie den Kopf. »Dort leben andere Clans der Isaaq. Das Land meiner Leute liegt dort hinten. Da die Soldaten es nicht verteidigen wollen, werde ich es tun!« Wieder standen ihr die Gesichter der Männer, die ihr Gewalt angetan hatten, vor Augen, aber dann wurden sie ersetzt durch das der Anführerin jener Mordbrenner. Sie begriff, dass sie erst wieder Ruhe finden würde, wenn diese Ungeheuer vom Angesicht der Erde getilgt worden waren. Wie sie das erreichen konnte, wusste sie nicht. Aber sie kannte die Landschaft im Grenzgebiet besser als die Soldaten, die sich bei Xagal sammeln und das nun menschenleere Land verteidigen sollten.
Während die Frau sie beschimpfte, suchte Jamanah unter den Sachen, die von den anderen zurückgelassen worden waren, nach Gegenständen, die sie brauchen konnte. Ihr fielen ein Aluminiumtopf, ein Becher und ein Krummdolch in die Hände. Sie versah die Gegenstände mit Schnüren und befestigte sie an ihrer Hüfte. Aus dem nicht mehr bewachten Vorratslager nahm sie sich eine Packung Hirse, ein paar andere
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