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Todesfee

Todesfee

Titel: Todesfee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Tremayne
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hatte, zu erröten. Es gehörte sich nicht, dass ein Schreiber in Anwesenheit eines Brehons vor Gericht das Gesetz erläuterte. »Was jedoch außerhalb dieses Raumes Gesetz ist, gilt auch innerhalb dieses Raumes. Eine Behauptung wie die, die du gerade aufgestellt hast, Tassach, kann ich nicht tolerieren, wenn du nicht in der Lage bist, Beweise dafür vorzulegen. Beschuldigungen ohne Beweise sind nicht gestattet.«
    Der Arzt schwieg, aber sein Gesicht drückte Ärger aus.
    |404| An ihrer Seite hüstelte Bruder Corbb diskret und beugte sich zu ihr, um ihr etwas ins Ohr zu flüstern.
    »Verzeih, Lady. Ich bin nicht sicher, wie du fortfahren möchtest, aber bisher habe ich noch keinen Beweis dafür gehört, dass der Junge durch mangelnde Aufsicht oder ein Gewaltverbrechen zu Tode gekommen ist. Sollte darauf nicht hingewiesen werden?«
    Fidelma warf ihm einen gereizten Blick zu.
    »Ich kenne meine Pflicht, Bruder Corbb. Wir haben noch nicht alle Zeugen angehört«, wies sie ihn zurecht, worauf der Schreiber blinzelte und sich wieder über sein Protokoll beugte.
    Im Gerichtssaal schwieg man nun erwartungsvoll. Fidelma setzte die Verhandlung fort. »Unter den gegebenen Umständen möchte das Gericht die drei Personen anhören, die Enda als Letzte lebend gesehen haben …«, sagte sie. »Sind die Kinder Faife, Una und Maine hier anwesend?«
    Überraschtes Gemurmel erhob sich. Bruder Corbb stand auf. Fidelma hob die Hand, um ihm das Wort zu verbieten, aber er redete trotzdem los: »Ein Kind unter vierzehn Jahren trägt vor dem Gesetz weder Verantwortung, noch hat es das Recht, allein gerichtliche Schritte zu unternehmen. Das bedeutet, dass Kinder nicht als Zeugen vereidigt werden dürfen und ihre Aussagen nicht dasselbe Gewicht haben wie die Aussagen eines Erwachsenen. Ein
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oder Zeuge darf nur darüber Zeugnis ablegen, was er gesehen oder gehört hat. Was nicht direkt vor den Augen eines Zeugen geschehen ist, zählt nicht als Beweis. Wir haben in diesem Fall einige Vermutungen gehört, was geschehen oder nicht geschehen sein könnte. Ich muss dich darauf hinweisen, dass es sich hierbei nicht um Beweise handelt. Das Gesetz lässt es jedoch zu, außer direkten Beweisen durch Augenzeugenaussagen auch andere Hinweise auf Schuld in einem |405| Urteil zu berücksichtigen, beispielsweise verdächtiges Verhalten der beschuldigten Person.«
    Fidelma unterdrückte ihre Verärgerung über Corbbs Anmaßung.
    »Ich bin mir der Gesetzeslage in dieser Angelegenheit wohl bewusst«, presste sie zwischen den Zähnen hervor. »Wenn du die Qualifikation hättest, ein Urteil zu sprechen …« – sie machte eine Pause, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen –, »dann würdest du vielleicht auch den Präzedenzfall kennen, der mir die Befugnis verleiht, die drei von mir genannten Kinder zu befragen.«
    Bruder Corbb schoss die Röte ins Gesicht, und er wich unwillkürlich einen Schritt zurück.
    »Ich wollte …«
    »Ich weiß nicht, welche Freiheiten dir Brehon Spélan, dem du als Schreiber dienst, gewährt. Wenn ich jedoch eine Anhörung leite, gibt es nur einen Richter. Merk dir das bitte, Bruder Corbb.« Darauf wandte sie sich an den Gerichtssaal. »Es gibt einen Präzedenzfall, in dem ein Kind als Zeuge ausgesagt hat, ohne vereidigt zu werden, und seine Aussage bei der Urteilsfindung einbezogen wurde. In dem Präzedenzfall ging es um den Diebstahl eines Tieres, von dem man annahm, es sei am vorangegangenen Abend verspeist worden. Man fragte das Kind: ›Was hast du gestern Abend gegessen?‹, und seine Antwort wurde bei der Beweisführung gegen den Verdächtigen berücksichtigt. Ich werde Bruder Corbb sagen, wo dieser Präzedenzfall erwähnt wird, damit er die Quelle in seinen Bericht über diese Verhandlung einfügen kann. Sind die genannten Kinder anwesend?«
    »Das sind sie«, antwortete Colla der Stellmacher nach kurzem Zögern.
    »Dann soll Maine vorkommen und sich neben mich setzen, damit ich mit ihm sprechen kann.«
    |406| Ein kleiner Junge schlurfte widerwillig zum Podest, und Bruder Corbb brachte einen Stuhl.
    Fidelma lächelte das Kind ermutigend an.
    »Nun, Maine, ich kann mir vorstellen, dass du einen Schreck bekommen hast, als du die Leiche des armen Enda fandest.«
    Der Junge nickte langsam.
    »Mochtest du ihn?«
    Maine sah sie überrascht an und dachte einen Augenblick nach, bevor er antwortete.
    »Er war schon in Ordnung«, meinte er abschätzig. »Er war mein
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, mein Ziehbruder.«
    »Hat es dir gefallen, einen

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