Todesflirt
meckerte Annika. »Torsten hat dich was gefragt.« Ich setzte mich auf, musste in die Sonne blinzeln.
»Ich hab’s gehört. Ich hab aber keine Lust auf ein Verhör.« Ich blitzte ihn zornig an. Er lächelte ironisch.
»Soll er doch mal sagen, was er so macht den ganzen Tag, außer in unserer Gärtnerei abhängen.«
»Nicht streiten«, sagte Juli, die sofort merkte, wenn mein Ton schärfer wurde. »Der ist nett, der Torsten.«
»Ich studiere BWL«, sagte er. »Achtes Semester, bald mache ich meinen Abschluss.«
»Aber ich dachte, du bist neu in München?«, fiel mir ein. Ich hatte ihm neulich Abend doch den Weg beschreiben müssen.
»Ich habe bisher im Westen der Stadt gewohnt, in dieser Ecke bin ich neu«, antwortete er, ohne mich dabei anzusehen.
»Und nach dem Studium?«, wollte Annika wissen. Sie war ein wenig dichter zu ihm hingerutscht und knabberte die obere Kekshälfte so ab, dass die Schokocreme freilag.
»Mal sehen«, sagte Torsten und ließ seinen Blick über den See schweifen, als sei er das Tor zur Welt. »Unternehmensberatung vielleicht. Bin nicht so festgelegt. Mal sehen, wer das beste Angebot macht.«
Ich konnte nicht fassen, dass Annika nicht sofort aufstand und sich ins Wasser übergab. Dieser gnadenlose Angeber mit seinen blitzblauen Augen und der blonden Fönfrisur! Was war bloß an dem?
»Ich lauf dann mal wieder zurück«, sagte ich und stand auf. »Juli, kommst du?« Juli schüttelte den Kopf.
»Doch, bitte, Juli, komm.« Ich ahnte, dass das hier ewig dauern konnte. Juli wollte bleiben und Torsten anhimmeln.
»Juli, bitte!« Ihre Zöpfe flogen um ihren Kopf.
»Auf, Juli, ich komm auch bald nach«, sagte Annika. Die Zöpfe flogen weiter.
Ich versuchte, sie am Arm hochzuziehen, aber sie brach in wehklagendes Gejammer aus.
»Will bleiben. Will bleiben.«
»Wie wäre es, ich bringe euch nachher mit dem Auto nach Hause«, schlug Torsten vor. Juli hob den Kopf und strahlte. Sie klatschte begeistert in die Hände.
»Au ja, au ja!«
»Danke, ich laufe lieber«, sagte ich, zog meine Schuhe an und lief los.
Ich war gerade mal bis zur Brücke am westlichen Seeufer gekommen, als jemand meinen Namen rief. Ich wusste sofort, wer es war, und lief weiter.
»Tabea«, rief er noch einmal und ich beschleunigte meinen Schritt. Auf der anderen Seite hatte er mich so gut wie eingeholt.
»Jetzt bleib halt stehen«, rief Max. »Ich will dir nichts tun, ich will mich entschuldigen.« Ich wurde langsamer, spürte plötzlich Seitenstechen. Um ruhiges Atmen bemüht, ging ich weiter. Nun war Max neben mir.
»Bitte«, sagte er keuchend. »Bitte. Ich wollte mich wirklich entschuldigen. Ich war besoffen neulich Abend. Mir ist das echt peinlich! Du weißt doch, dass ich sonst nicht so bin.«
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Wir liefen ein paar Schritte schweigend nebeneinanderher.
»Freunde?«, fragte er und hielt mir seine Hand hin. Ich fuhr mir mit den Fingern durchs feuchte Haar, kratzte auf der Kopfhaut herum und nickte schließlich. Dann ergriff ich seine Hand.
»Okay, Freunde.«
Sofort zog er meinen Arm dichter an sich heran.
»Ich vermisse dich, Tabea«, flüsterte er. »Ich weiß, ich habe jede Menge Mist gebaut, schon klar. Aber … meinst du nicht … kannst du dir vorstellen, dass …?«
»Nein«, sagte ich laut. »Nein, ich kann mir gar nichts vorstellen. Und jetzt muss ich los, tschau!« Ich musste ihm meine Hand beinahe entwinden und lief deutlich schneller, als ich eigentlich wollte. Glücklicherweise folgte er mir nicht. Ich musste mich dringend bei Toni melden, ich brauchte mal wieder weibliche Energie. Diese Jungs hatten doch alle einen Knall! Das Problem war nur, dass sie den nicht gehört hatten.
Eine richtige Idylle ist das. Trautes Heim, Glück allein. Nur die Ausrichtung stimmt nicht und die Verseuchung hat offensichtlich schon eingesetzt. Aber das interessiert ihn schließlich nur am Rande. Wichtiger ist, dass sie angebissen hat. Wie sie gelacht hat und sich durch das Haar gefahren ist. Wie ihre Augen gestrahlt haben. Männer, die Blumen lieben – eine großartige Idee. Es war gut, dass er vor ein paar Wochen den Schnauzer abgenommen hat. Sie ist so ein Typ, der auf glatt rasierte Helden steht, das hat er sofort gemerkt. Ach und wie er sie mit diesem albernen Cabrio beeindruckt hat, das ihm sein eitler Kontaktmann zur Verfügung gestellt hat. Mit seinen Studenten-Geschichten und seinem höflichen Getue. Manchmal erschrickt er beinahe, wie leicht ihm das fällt. Und
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