Todesflut: Thriller
hatte, drehte sich der Bagger, sodass sein Bug geradewegs auf den Akamai Tower, den Zwillingsturm des Moana Tower, zuhielt.
Er rammte ihn mit unvorstellbarer Wucht. Selbst im achtundzwanzigsten Stockwerk des Moana Tower war zu hören, wie sich die Stahlträger verbogen, das Glas zersplitterte und der Beton zerbarst. Der Schwimmbagger krachte gegen einen Balkon im sechsten Stockwerk. Erst nachdem zwanzig Meter des Schiffs im Gebäude steckten, kam es zum Halten. Das steigende Wasser drückte den Schwimmbagger mit voller Wucht gegen das Gebäude, bis er vollständig überflutet war. Das ansteigende Wasser hob das Heck des Schiffs immer weiter an, bis die Spannung zu groß wurde und es abbrach. Der Bug klemmte im Gebäude fest. Die hintere Hälfte des Schiffs schob sich am Turm vorbei und war irgendwann nicht mehr zu sehen.
Unglaubliche Mengen Treibgut schwammen auf dem Wasser. Autos, Schiffe, Teile von Gebäuden bildeten einen Teppich, der ins Land hineingeschoben wurde. Rachel wusste, dass auch Leichen dabei sein mussten. Sie war dankbar, dass sie zu hoch war, um Einzelheiten zu erkennen. So weit das Auge reichte, stand das Wasser in den Straßen von Honolulu bis zum siebten Stockwerk. Wer in diese Flut geraten war, konnte nur durch ein Wunder überleben.
Rachel ging in Gedanken ihre Optionen durch. Sie würde die Gäste nicht evakuieren können, indem sie sie über die Treppe nach unten führte. Selbst wenn sie davon ausging, dass die Welle sich so weit zurückzog, dass sie die Straße betreten konnten, würde die Zeit bis zum Eintreffen der nächsten Welle nicht ausreichen, um sich in Sicherheit zu bringen. Ihnen blieb nur die Hoffnung auf eine Rettung aus der Luft.
Sie versuchte, einen der militärischen und zivilen Helikopter, die ihre Kreise über der Stadt drehten, durch Winken auf sich aufmerksam zu machen. Kais Vorschlag zu befolgen war das Beste, was sie tun konnte.
»Wir müssen Kontakt mit einem Hubschrauber aufnehmen«, sagte sie zu Max.
Sie öffnete ihr Handy, um den Notruf zu wählen, denn sie wusste nicht, wie sie anders Hilfe hätte herbeirufen können. Da fiel ihr Blick auf den Akamai Tower. Drei Stockwerke unter ihr stand ein spitzbärtiger Mann am Fenster, ein Handy in der Hand. Die Sonne spiegelte sich auf seiner Glatze, sein Hemd mit Blumenmuster flatterte im Wind. Selbst aus der Ferne konnte Rachel sehen, dass er verzweifelt war.
»Er hat gemerkt, dass er in der Falle steckt«, sagte sie.
Der Bagger war wie ein riesiger Stachel in den Turm getrieben worden und hatte aller Wahrscheinlichkeit nach das Treppenhaus durchbohrt und somit diesen Fluchtweg blockiert. Auf dem spitzen Dach des Akamai Tower konnte, anders als auf dem Flachdach des Moana Tower, kein Helikopter landen.
»O mein Gott, er wird doch nicht etwa springen?«, entfuhr es Max.
Rachel antwortete nicht, sondern schwenkte die Arme und schlug ans Fenster, um die Aufmerksamkeit des Mannes zu erregen.
Eine dunkelhäutige Frau trat zu dem Mann und umarmte ihn. Der Mann schien Rachel nicht zu hören oder zu sehen, aber das älteste der drei Kinder, die mit der Mutter ans Fenster gekommen waren, entdeckte sie. Der Mann erwiderte Rachels Winken und machte eine Handbewegung, die zu bedeuten schien: Was sollen wir tun?
»Und jetzt?«, fragte Max.
»Ich weiß es nicht. Aber wenn wir nicht schnellstens einen Helikopter erwischen, kommt hier keiner von uns lebend heraus.«
Sie wählte gerade wieder, als erschreckte Rufe laut wurden. Die Lichter des Restaurants waren erloschen und die Klimaanlage verstummt. Der Strom war ausgefallen.
Vom Bunker des Bevölkerungsschutzes aus beobachtete Brian Renfro mit wachsender Sorge die wichtigsten Kraftwerke der Insel. Sie standen an der Küste, das größte in Nanakuli, die beiden anderen in Barbers Point und Honolulu. Man hatte sich beim Katastrophenschutz zwar Gedanken über ihre Lage gemacht, aber die höchste Priorität auf Hawaii hatten Hurrikane, weil sie die Inseln regelmäßig heimsuchten. Die mit ihnen einhergehende Flut war nie höher als fünf Meter. Tsunamis erreichten selten mehr als zehn Meter, und die Kraftwerke lagen über diesem Niveau.
Einen Mega-Tsunami hatte es noch nie gegeben, eine Naturkatastrophe in dieser Größenordnung hatte der Bevölkerungsschutz nicht als realistisches Risiko eingestuft. Seine Wahrscheinlichkeit war so gering, dass es wirtschaftlich nicht vernünftig schien, ihn in die Katastrophenplanung mit einzubeziehen.
Dieser Tsunami hatte die Küste von Oahu
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