Todesfracht
letzte Mission vor seiner Versetzung nach Washington gewesen. Juan verzichtete darauf, die ganze Geschichte zu erzählen, sondern meinte nur: »Wenn Eddie an Bord bleiben will, dann werde ich ihm auf keinen Fall widersprechen.«
»Okay.«
»Hat Hiro irgendwelche Details über die Angriffe von sich gegeben?«
»Sein Kommuniqué besagte, dass er sie übermitteln werde, wenn wir den Auftrag annehmen.«
»Sobald sie vorliegen, lass von Mark Murphy und Eric Stone ein Computermodell dazu erstellen, wo die Piraten als Nächstes am wahrscheinlichsten zuschlagen werden, und bitte sie, sich eine Tarngeschichte auszudenken, derzufolge wir ihnen wie ein besonders lohnendes Ziel vorkommen.« Murphy war der Waffenexperte der
Oregon
und dazu ein verbissener Forscher mit einem todsicheren Blick für Ereignismuster.
Linda machte sich entsprechende Notizen auf ihrem Klemmbrett. »Sonst noch etwas?«
»Das sollte eigentlich ausreichen. Sobald Mark und Eric ihre Position errechnet haben, setzt einen entsprechenden Kurs und macht euch auf den Weg.«
Cabrillo beendete seine Zigarre, während er an seinem Bericht für Langston Overholt arbeitete. Er hatte entschieden, diesen Punkt sofort zu erledigen, anstatt ihn nur unnötig lange vor sich herzuschieben. Während die Zigarre herunterbrannte, bearbeitete er den Bericht mit einem Verschlüsselungsprogramm, das genauso leistungsfähig war wie jenes, das von der NASA benutzt wurde, und schickte ihn per E-Mail an seinen alten Freund in der CIA-Zentrale. Immer noch unter adrenalinbedingter Anspannung stehend und obgleich mittlerweile das Mittagessen im Speisesaal serviert wurde, beschloss er nun, einen Rundgang durch das Schiff zu machen.
Vom funkelnden Maschinenraum, wo die magneto-hydrodynamischen Motoren summten, zum Hightech-Operationszentrum unterhalb der Kommandobrücke, wo praktisch jede Wand aus Plasmabildschirmen bestand, und durch die vielfältigen Waffenstationen, den Zauberladen, die Waffenkammer, den Hangar und die luxuriösen Mannschaftsunterkünfte, so wanderte er durch sein Schiff und begrüßte dabei die Leute, die er unterwegs antraf. Er stattete der von Edelstahl beherrschten Küche einen Besuch ab, wo französische Meisterköche Mahlzeiten zubereiteten, wie man sie nur in den exklusivsten Restaurants in New York oder Paris serviert bekam. Er warf einen Blick in das Fitnesszentrum mit seinen Trainingsmaschinen und Batterien von freien Gewichten sowie seinen öffentlichen Saunaräumen.
Er legte eine Hand auf einen der vier schwarzen Sun/Microsystem-Supercomputer und spürte dabei seine rohe Kraft und wusste, dass für diese Maschine und seine Operatoren kein Problem zu kompliziert war.
Er war sich vollauf bewusst, dass jedes Detail, jeder Zentimeter Verdrahtung und Röhrensystem, die gesamte Inneneinrichtung bis hin zur farblichen Gestaltung der einzelnen Räumlichkeiten in seinem Kopf entwickelt und auf sein Geheiß in Stahl, Plastik und Holz umgewandelt worden war. Die
Oregon
war sowohl seine Burg wie auch sein Refugium.
Aber was ihn am meisten mit Stolz erfüllte, war der Moment, wenn er hinaus aufs Oberdeck trat. Denn es war das Äußere, das die
Oregon
ihrer Umwelt darbot, was sie zur grandiosesten Spionageplattform machte, die je konstruiert und realisiert worden war. Die Russen waren zu schematisch vorgegangen, indem sie Spionageschiffe als Fischtrawler tarnten und sie sozusagen zu einer bekannten Größe machten, die jedermann sofort als das identifizierte, was sie in Wirklichkeit waren, sobald sie vor irgendeiner Küste auftauchten. Die U. S. Navy setzte bei ihren Spionageoperationen vom Radar nicht zu erfassende Unterseeboote ein, eine unmögliche Option für Cabrillo und das, was er und seine Mannschaft als Alltagsgeschäft betrieben. Nein, die Corporation brauchte eine mindestens totale Anonymität oder bestenfalls beißenden Spott.
Aus diesem Grund sah die MS
Oregon
wie ein schon lange aufgegebener Seelenverkäufer unterwegs zum nächsten Schiffsfriedhof aus.
Juan hatte mittels des Fahrstuhls im Operationszentrum unter dem Hauptdeck die Kommandobrücke betreten. Von dort trat er hinaus auf die an Steuerbord gelegene Brückennock und betrachtete von hier aus sein Schiff. Die
Oregon
war gut hundertachtzig Meter lang, fünfundzwanzig Meter breit und hatte eine Größe von 11585 Bruttoregistertonnen. Ihre Aufbauten befanden sich ein wenig von mittschiffs nach achtern verschoben, daher verfügte sie über drei Frachtkräne vorn und zwei achtern.
Die
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