Todesfrauen
oder fünf Stunden, verstrich ereignislos. Dann wurde ihnen Essen serviert, bevor wieder eine zermürbende Phase ohne jegliche Unterbrechung folgte.
Erst als die Frauen schon wieder müde wurden und sich auf eine weitere Nacht auf dem harten kalten Boden einstellten, schlug ihre Stunde: Sie wurden aufgefordert, ihr Gefängnis zu verlassen, und erneut in das abgedunkelte Zimmer geführt, in dem sie bereits einmal gewesen waren.
Aufbau und Anordnung der Situation entsprachen exakt ihrem ersten Aufenthalt in dem Raum: Ihren im gebührenden Abstand sitzenden Gesprächspartner konnten sie auch diesmal weder deutlich sehen noch seine Stimme hören. Das Wort führte abermals ein anderer – und der kam gleich auf den Punkt:
»Wir haben Ihre Angaben verifiziert und konnten sie nicht widerlegen.«
Gabriele atmete hörbar auf. Sina hingegen war bass erstaunt und hielt angespannt die Luft an.
»Sie haben damit eine Schonfrist erwirkt. Diese wird jedoch sehr kurz sein. Wir haben vor, Ihre Angaben mithilfe eines Drogenpräparats zu überprüfen. Wir werden Ihnen ein Wahrheitsserum injizieren.«
Sina stieß Gabriele an. Deren Gesichtsausdruck spiegelte dieselbe Angst wider, die Sina erfüllte.
»Es hat keinen Zweck, sich gegen dieses Verfahren zu sperren. Wenn Sie sich widersetzen, wenden wir Gewalt an und werden Sie …« Der kaum sichtbare Redner wurde von dem anderen Mann im Schatten unterbrochen. Die beiden tauschten einige Worte miteinander, die die Frauen nicht verstehen konnten. Danach erklärte der Sprecher mit unverkennbarem Widerwillen in der Stimme: »Mir wurde angetragen, Ihnen Folgendes zu übersetzen.«
»Übersetzen?«, zischte Sina Gabriele ins Ohr. »Der andere kann kein Deutsch. Wir hatten wohl recht …«
»Still!«, bestimmte Gabriele.
»Ich beginne«, sagte der Mann und beugte sich abermals zum Nebenmann, um dessen Anweisungen aufzunehmen. »Wir möchten klarstellen, dass wir keinerlei Agitation gegen den deutschen Nachrichtendienst planten und planen. Wir möchten ebenfalls feststellen, dass wir die Abwehrstrategien des BND wertschätzen und anerkennen, Sie aber eine unmittelbare Bedrohung unserer Operation darstellen.«
»Was redet der da für eine Sülze?«, flüsterte Sina.
»Hör einfach zu!«, befahl Gabriele.
»Unsere Aktivitäten auf der Insel Usedom wurden von Ihrem Dienst ebenso torpediert wie unser zweiter Anlauf vor einem Jahr mit dem Tarnunternehmen ›Nürnberger Hotel Akademie‹. Beide Male haben Sie damit unser Vorhaben vereitelt, einen atomaren Sprengkopf auf dem Territorium der Vereinigten Staaten von Amerika zu zünden. Ihre Leistung ist anerkennenswert, aber für uns nicht hinnehmbar.«
»Die spinnen«, kommentierte Sina, der Verzweiflung nah. »Total durchgeknallt!«
Diesmal wies Gabriele sie nicht in ihre Grenzen. Im Gegenteil: Sie stand auf und sagte laut und mit klarer Stimme: »Wir haben uns offenbart, Sie haben sich offenbart – lassen Sie uns endlich die letzten Karten aufdecken: Was sind Ihre Gründe für das Attentat?«
Sina blieb mit offenem Mund sitzen und wollte kaum glauben, was der Übersetzer ihnen nach kurzer Rücksprache mitteilte.
Zurück in ihrer Zelle, dem schiefen Raum, hatte Sina das soeben Gehörte noch immer nicht verarbeitet. »Gabi«, sprach sie ihre Freundin eindringlich an und stellte sich dicht neben sie. Flüsternd fuhr sie fort: »Ist dir bewusst, was die uns eben aufgetischt haben? Ich meine – das ist doch der pure Wahnsinn, oder?«
Gabriele seufzte. »Mit Wahnsinn hat das, wie ich fürchte, wenig zu tun. Es geht um Revanche, um knallhartes Kalkül.«
»Nenn es, wie du willst: Verrückt bleibt es allemal! Soll ich den Übersetzer noch mal zitieren? Von Genugtuung hat er geredet. Und: Das amerikanische Volk hat einen Denkzettel verdient. Dies ist die Quittung dafür, dass es die Leistung seines fähigsten Führers nicht anerkannt, ja sogar geschmälert hat. Dazu sage ich nur: Völlig irrsinnig!«
Gabriele antwortete nicht sofort. »Verabschiede dich von deinen bisherigen Denkstrukturen, Kleines. Wir bewegen uns jetzt in anderen Dimensionen. Was für uns kleine Leute den Anschein einer Wahnsinnstat macht, mag aus anderer Sicht durchaus einen Sinn ergeben.«
Sina sah ihre Freundin entgeistert an: »Aus anderer Sicht? Du meinst, aus der Sicht eines gescheiterten und frustrierten amerikanischen Ex-Präsidenten?«
»Pssst.« Gabriele legte abermals ihren Finger auf die Lippen.
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Diehl fühlte sich an seine Zeit bei der
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