Todesgarten
war nicht zu bremsen. »Was ist mit den
Spezialeinheiten? Den Sonderkommandos? Die Dezernate richten spannende Bereiche
ein, um sich auf Deliktgruppen zu spezialisieren. Da solltest du dich
bewerben!«
»Vielleicht sollte ich das.«
Cem lehnte sich zurück. Er hatte an ihrem Tonfall bemerkt,
dass das Thema für sie erst einmal beendet war.
»Du hättest mich viel eher mal besuchen sollen«, sagte
er.
Anna hatte etwas schlechtes Gewissen. SchlieÃlich war
sie nicht hier, um in alten Zeiten zu schwelgen. Sie war gekommen, weil Cem ihr
einziger Kontakt zur Drogenfahndung war.
»Wie läuft es denn so bei dir?«, fragte sie. Mit einer
Handbewegung deutete sie auf die Umgebung. »Der Laden hier ist ja gut in
Schuss. So sieht es bei uns auf der Wache nicht aus.«
»Ist gerade alles frisch renoviert worden.« Er lachte.
»Aber glaub mir: Das ist auch das Einzige, was hier im Moment gut aussieht.
Wenn ich an meine Arbeit denke â¦Â« Er deutete auf die dicken Ordner, die sich
auf seinem Schreibtisch und auf dem Boden stapelten. »Seit Wochen sind wir an
einem einzigen Fall dran. Einer ganz dicken Sache. Aber wir kommen nicht
weiter. Es steckt einfach der Wurm drin. Zum Kotzen, sag ich dir.«
Anna überlegte, was sie darauf erwidern konnte. Sie
musste vorsichtig sein. Cem würde ihr zwar alles sagen, was sie wissen wollte,
davon war sie überzeugt. Aber es musste so aussehen, als wäre sie nur allgemein
an seiner Arbeit interessiert. Er durfte keinen Verdacht schöpfen.
»Ãbrigens war ich neulich bei einer von euren Razzien
dabei.«
Er sah überrascht auf. »Wirklich? Davon wusste ich gar
nichts. Auf welcher?«
»Der im Kink Klub.« Sie deutete auf den Ordnerstapel
am Boden. »Bei den Durchsuchungsprotokollen ist mein Name dabei, ich hab ein
paar Leibesvisitationen gemacht.«
»Das muss ich übersehen haben.« Er zog einen der
Ordner hervor und blätterte darin. »Tatsächlich. Da steht es. Durchführende Beamtin:
Proschinski. In deiner ganz unverwechselbaren Handschrift.«
Jetzt war der Augenblick gekommen. Sie könnte ganz
beiläufig ein paar Fragen zur Ermittlung stellen. Wie seid ihr eigentlich auf
den Kink Klub gekommen? Aha? Und wer hat euch den Hinweis gegeben? Es wäre nur
eine Plauderei unter Kollegen.
Doch in diesem Moment flog die Tür zum Nebenraum auf. Ein
Hüne mit Halbglatze und Lesebrille stolperte aus dem Nachbarbüro herein. Als er
Anna sah, blieb er abrupt stehen.
»Oh. Ich wusste nicht, dass du Besuch hast, Cem.« Er
trat den Rückzug an. »Na, dann komm ich später wieder.«
»Nein, warte. Gar kein Problem. Anna, das ist Heiner,
mein Vorgesetzter. Heiner, das ist Anna, eine ehemalige Kollegin. Ich bin mit
ihr zusammen auf Streife gewesen.«
Sie begrüÃten sich per Handschlag. Cems Vorgesetzter bemühte
sich, freundlich und interessiert zu sein. Aber er schien mit den Gedanken
woanders zu sein. »Kannst du kurz für einen Moment rüberkommen, Cem? Ich habe
etwas, das ich dir gerne zeigen würde.«
»Geh ruhig«, meinte Anna. »Wir haben es nicht eilig.«
Er lächelte. »Also gut. Ich bin gleich wieder hier.
Und dann gehen wir in die Kantine.«
Er folgte seinem Chef in den Nebenraum und schloss die
Tür. Anna war allein. Aus dem anderen Büro war nichts zu hören. Gedämpft drang
Verkehrslärm durch die Fenster herein. Vor ihr auf dem Schreibtisch lag die aufgeschlagene
Akte der Razzia. Sie würde nur ein paar Seiten zurückblättern müssen. Dort
musste stehen, wer ihnen den Hinweis auf den Kink Klub gegeben hatte.
Bilder drängten sich in ihr Bewusstsein. Tom am Morgen
nach der Schicht, neben ihr im Corsa, müde, erschöpft und wunderschön. Die
Gerüche der Nacht klebten an seiner Haut. Dann sah sie ihn in der Dämmerung an
seinem Fenster im zehnten Stock. Wie er ihr Gesicht nahm und sie liebkoste,
unter ihnen die erwachende Stadt. Seine Augen. Diese dunklen und schönen Augen,
die sie nie würde ergründen können. Tom neben ihr im Bett. Er klammerte sich im
Tiefschlaf ängstlich an sie, wie jede Nacht, und konnte sich dann doch an
nichts erinnern, wenn er wach war. Tom. Den sie so sehr liebte.
Sie machte sich etwas vor, wenn sie glaubte, sie wäre
gewappnet, wenn er ginge. In Wirklichkeit war sie nicht bereit. Würde es
niemals sein. Sie hatte sich belogen. Vom ersten Moment an.
Der
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