Todesgeil
blickte Roxie an. Die faltete ein Blatt Papier auseinander, das sie zuvor aus ihrem Leinenbeutel gekramt hatte.
»Die Zahlenfolge ist ...«
Rob tippte die Ziffern ein, die sie vorlas. Etwas klickte und das Tor schwang auf. Rob legte den Gang ein, gab einen frustrierten Laut von sich, als der Motor wieder nur stotterte, und trat dann, als er schließlich rund lief, das Gaspedal durch. Im letzten Moment, bevor sich das Tor langsam wieder schloss, zischte der Wagen durch die Öffnung. Rob tippte das Bremspedal an und nahm wieder Geschwindigkeit weg, während sie begannen, sich ihren Weg durch ein Gewirr schmaler, sandiger Straßen zu suchen. Immer wieder blickte Roxie auf den Zettel in ihrer Hand und gab ihm die Richtung vor, während er fuhr.
»Halte hier an!«
Rob brachte den Wagen am Straßenrand zum Stehen, eigentlich in einer Bucht zwischen zwei Häusergruppen. Er blickte an Roxie vorbei und sah den finsteren Ozean. Ein kühler Windstoß fuhr durch das hohe Gras auf der Düne, die den Strand von der Straße trennte. Als Kind hatte er mit seinen Großeltern an Orten wie diesem die Ferien verbracht. Er sehnte sich nach jener Zeit zurück. Oder auch nach jeder anderen normalen Phase seines Lebens. Er wollte nicht sterben. Er hasste das Gefühl, einfach nur vom Schicksal umhergeweht zu werden. Und doch konnte er nichts dagegen tun.
Roxie klappte das Handy auf, das sie dem verstorbenen Besitzer des Subaru abgenommen hatte, gab eine Nummer ein und schrieb eine kurze SMS. Einen Augenblick lang war alles still. Die Anspannung im Wageninnern nahm ihnen beinahe den Atem.
Antworte nicht, dachte Rob.
Bitte, bitte, antworte nicht.
Dann summte das Handy. Roxie klappte es erneut auf, las die Nachricht auf dem Display und lächelte Rob an. »Los, gehen wir.«
Sie stiegen aus und machten sich zu Fuß auf den Weg. Rob drehte sich fast der Magen um. Während der vergangenen Woche hatte er eine Menge Menschen sterben sehen. Viele von ihnen auf grässliche Weise. Doch dies hier war persönlich und würde noch tausendmal schlimmer werden.
Nach gut 50 Metern erreichten sie die Zufahrt zu einem dreigeschossigen Strandhaus. Roxie bewegte sich schnell die Einfahrt hinunter. Sie rannte nicht gerade, bewegte sich aber mit den weit ausgreifenden Schritten von jemandem, der es eilig hat, irgendwohin zu gelangen. Julie hastete ihr nach, um sie einzuholen. Obwohl es ihm innerlich wehtat, folgte Rob ihnen in seinem eigenen Tempo. Der Drang, sich einfach umzudrehen und abzuhauen, war immer noch da, eine innere Stimme, die von Augenblick zu Augenblick verzweifelter wurde, aber ihm war klar, dass er nicht auf sie achten würde. Dazu war es zu spät.
Sie umrundeten das Haus und setzten ihren Weg an einem hohen, einen Swimmingpool umgebenden Zaun entlang fort. Durch ein offenes Tor traten sie ein. Rob bewegte sich vorsichtig über den betonierten Untergrund. Es war dunkel hier draußen und das Letzte, was er wollte, war, in den Pool zu fallen. Obwohl die Lichter aus waren, konnte er die Umrisse von Luftmatratzen und Wasserbällen ausmachen, die im Wasser trieben und in der schwachen Strömung wie kleine Leichen auf und ab schaukelten.
Sie traten von der Terrasse auf eine hölzerne Veranda, auf der die Glasschiebetüren offen standen. Eine hübsche Frau, die ein bisschen so aussah wie Roxie, bevor sie sich die Haare gebleicht hatte, trat aus dem Eingang und gesellte sich zu ihnen auf die Veranda.
Roxie lächelte. »Hi, Emily.«
Die Frau blickte Roxie an. »Hallo, Missy. Ich bin so froh, dass du es geschafft hast. Du hast ja keine Ahnung, wie bereit ich jetzt dazu bin.«
Rob runzelte die Stirn.
Missy?
»Äh ... Roxie? Wie hat sie dich gerade genannt?«
»Das ist mein richtiger Name.«
Robs Stirnrunzeln wurde tiefer. »Aber ... woher kennt sie ihn? Und ...«
Roxie – Missy – lachte. »Weshalb ich ihn dir nicht verraten habe?«
»Ja.«
Sie zuckte die Achseln. »Ich nenne mich ständig irgendwie anders. Im Grunde ist es nicht wichtig. Also, fangen wir an mit der Party!«
Sie nahm Emily bei der Hand und gemeinsam gingen sie ins Haus.
Julie folgte ihnen, warf jedoch einen Blick zurück zu Rob. »Kommst du mit?«
Rob war schwindlig. Es kam ihm vor, als ginge die ganze Welt um ihn herum in die Brüche. Roxie war nicht diejenige, die sie zu sein vorgab. Jedenfalls nicht ganz. Und wenn sie ihn schon wegen ihres Namens belogen hatte, womit dann sonst noch? Er lachte. Spielte es denn eine Rolle? Nichts davon änderte etwas am
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