Todesgott
Spaß.
»Pass auf!«, ruft sie plötzlich.
Im selben Moment streckt Ivo beide Arme aus und klammert sich an meinen Hals. Ich kann nichts anderes tun, als den Aschenbecher gegen seinen Schädel zu schleudern. Ivo schreit wie ein Elefant und fällt in sich zusammen. Der Aschenbecher ist unversehrt, aber aus der Schramme an Ivos Kopf fließt Blut.
»Ich hab dir doch gesagt, du sollst dich nicht rühren«, murmele ich, renne ins Bad und hole ein Handtuch. Ivo wirkt abwesend, hält aber instinktiv das Handtuch fest, das ich um seinen Kopf wickle.
»Also«, sagt Jóa gutgelaunt, »habt ihr jetzt genug gespielt?«
Agnar stöhnt zustimmend.
»Einar, sollten wir dann nicht die Ehrengäste anrufen?«
»Du meinst die Polizei?«, frage ich und nehme mein Handy.
»Nein, nein, nein! Please, nicht die Bullen anrufen! Please, fucking please!«, wimmert Agnar.
»Glaubt ihr etwa«, sagt Jóa, »dass ihr mitten in der Nacht bei unbescholtenen Leuten einbrechen, sie bedrohen und die Dame des Hauses kidnappen könnt und dann ungestraft davonkommt?«
»Please«, schmeichelt Agnar. »Entschuldigung. Please.«
»Ihr geht doch dieser ehrenhaften Tätigkeit nach, die man Schulden eintreiben nennt«, sage ich. »Falls ihr meint, mit uns könntet ihr umgehen wie mit den armen Schluckern, die Drogenschulden bei euch haben, ist das ein Missverständnis.«
»Niemand schuldet uns was«, sagt Garðar, der immer noch unbewegt am Wohnzimmerfenster steht. Snælda hat sich auf der Stange direkt über ihm plaziert. »Wir sind keine Dealer.«
»Nee, Schlappschwänze wie ihr konsumieren wohl eher selbst, oder?«
Garðar antwortet nicht, während Agnar etwas Zustimmendes murmelt.
»Aber ihr treibt manchmal Geld für andere ein?«
Agnar schweigt.
»Um eure eigenen Schulden zu bezahlen?«
Wieder murmelt Agnar etwas.
»Ahhh! Fucking fuck!«, tönt Garðar. Auf seiner Nase ist ein kleiner Klecks Vogelscheiße gelandet. Er blickt nach oben. Snælda spreizt auf der Stange majestätisch ihre Schwanzfedern.
Garðar schimpft und flucht und wischt sich den Klecks mit dem Handrücken ab.
Jóa lacht lauthals und wippt dabei auf dem Kopf des Anführers herum, der sich im Zuge dessen erbricht und schwarzen Schleim auf das Polster spuckt.
»Jóa«, sage ich lächelnd, »Agnars Schädelknochen sind offenbar so porös, dass sich der Drogenbrei aus seinem Hirn einen Weg zum Mund bahnt.«
»Hör auf! Hör auf!«, heult Agnar unter Husten und Würgen.
»Für wen treibt ihr Geld ein?«
Ivo bewegt seinen Kopf. Zur Sicherheit lasse ich den Aschenbecher leicht auf die Wunde sinken. Er bewegt seinen Kopf nicht mehr.
Niemand antwortet auf meine Frage. »Agnar, du hast doch eben gesagt, ihr hättet die ganze Clique von der Party in der Hand. Warum?«
Agnar schweigt.
»Jóa. Ich glaube, Agnar schläft gleich ein. Du darfst nicht zu nett zu ihm sein.«
Jóa fängt wieder an zu schaukeln.
»Ah, ah, nicht …«, stöhnt Agnar und gibt schwarzen Rotz von sich.
»Na?«, sagt Jóa. »Ich meine, mich dran zu erinnern, dass du schon lange davon geträumt hast, so viel Körperkontakt zu einer Lesbe zu haben!«
»Die Antwort, bitte«, sage ich.
»Aus der Clique haben alle mehr oder weniger Drogenschulden«, murmelt Agnar. »Aber nicht bei uns. Wir haben nur ab und zu das Eintreiben übernommen.«
»Das war also eben nur Prahlerei?«
»Ja«, wispert er.
»Bei wem haben alle Schulden?«
Agnar schweigt. »Wenn ich das erzähle, kann ich mir einen Sarg bestellen«, sagt er dann. »Dann könnt ihr mich gleich um die Ecke bringen.«
Lieber nicht, denke ich. »Wen wolltet ihr heute Nacht treffen? Wer hat deiner Meinung nach die Polizei auf euch angesetzt?«
Jóa rutscht ein wenig auf seinem Kopf hin und her.
»Rúnar!«, schreit Agnar Hansen daraufhin. »Dieser verdammte Rúnar!«
Ich bin verblüfft. »Meinst du etwa Skarphéðinns Bruder?«
Er bewegt zustimmend seinen Kopf.
»Warum gerade der?«
»Es muss jemand von der Party gewesen sein, wie du gesagt hast. Er ist der Einzige, der keine Drogen nimmt. Und deshalb der Einzige, der sich getraut hat …«
»War Rúnar bei der Party? Bist du sicher?«
»Klar. Der hat da rumgehangen.«
»Kennst du ihn?«
»Hab nie mit ihm gesprochen.«
»Und seinen Bruder?«
»Das hab ich doch schon den Bullen gesagt: Er hat uns blöd angemacht und rausgeschmissen.«
»Wie unhöflich!«
Er schweigt.
»Ihr habt
ihn
doch blöd angemacht, wegen dieses Kostüms, das er anhatte.«
Er schweigt immer noch.
»Na?«
»Er
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