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Todesgott

Todesgott

Titel: Todesgott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Árni Thórarinsson
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schauen uns an. Ich bin entsetzt, aber Jóa schüttelt nur den Kopf.
     
    Während ich durch die Oddeyrargata an der Bücherei vorbei in die Stadt fahre und dann links in eine kurze Straße namens Hólabraut einbiege, habe ich eine vage Ahnung. Hier liegt laut Todesanzeige Skarphéðinn Valgarðssons Wohnung. Die wenigen Dinge, die ich weiß, schwirren mir unablässig durch den Kopf, aber nach und nach merke ich, dass ich eigentlich nichts weiß. Ich parke den Wagen und blicke an dem dreistöckigen, weißgestrichenen Steinhaus hoch. Hier wohnte er. Na und?
    Ich grübele einige Minuten, nehme dann mein Handy, wähle 118, frage nach der Nummer von Skarphéðinn Valgarðsson in Akureyri und erhalte eine Festnetznummer. Ich rufe an.
    Keine Antwort.
    Was habe ich denn erwartet? Dass er sich mit »Skarphéðinn« meldet? Vielleicht habe ich gehofft, es wäre jemand in der Wohnung. Oder dass ein automatischer Anrufbeantworter ein paar Informationen preisgibt.
    Aber immerhin wurde die Nummer noch nicht gesperrt.
    Ich steige aus dem Wagen und gehe zum Haus. Es ist ein tadelloses, gutgepflegtes Gebäude. Auf der obersten Klingel steht: 2. Etage und Dachboden, Skarphéðinn. Ich klingele versuchsweise, selbstverständlich ohne Reaktion. Als ich wieder zum Auto gehe, habe ich eine Idee. Ich klingele im Erdgeschoss. Keine Antwort. Ich drücke auf die Klingel der ersten Etage.
    Nach einem kurzen Moment knackt es in der Gegensprechanlage, und eine Mädchenstimme sagt: »Hallo?«
    »Hallo, ich heiße Einar. Ist deine Mutter zu Hause?«
    »Nö.«
    »Und dein Vater?«
    »Nö.«
    Die Kleine ist ziemlich direkt. »Aber …«
    »Die sind bei der Arbeit.«
    »Wie heißt du denn?«
    »Ösp.«
    »Ein schöner Name.«
    »Nee, der ist schrecklich.«
    »Wie alt bist du?«
    »Zwölf.«
    »Ich hab Skarphéðinn, der über euch wohnte, gekannt …«
    »Der ist tot«, sagt das Mädchen.
    »Ich weiß. Kanntest du ihn?«
    »Nö.«
    »Aber …«
    »Doch, er hat mir manchmal Süßigkeiten geschenkt.«
    »War er nett zu dir?«
    »Er war okay.«
    »Haben deine Eltern ihn gut gekannt?«
    »Papa konnte ihn nicht leiden.«
    »Was? Wieso denn nicht?«, frage ich. Dieses Gespräch durch die Gegensprechanlage wird ein bisschen lang und eigentümlich. Aber ich traue mich nicht, das Mädchen zu bitten, mich hineinzulassen. Sonst könnte man mich womöglich irgendwelcher Perversionen bezichtigen.
    »Weil Mama ihn süß fand.«
    Ich überdenke die Antwort. »Und du?«
    »Er war okay. Aber Rúnar ist viel süßer.«
    »Rúnar kennst du auch?«
    »Er zieht in Skarphéðinns Wohnung.«
    »Wirklich?«
    »Ja. Ich hab jetzt keine Lust mehr, mit dir zu sprechen.«
    Ein Krachen und Knacken in der Gegensprechanlage gibt mir zu erkennen, dass sie weg ist.
    Als ich durch die Hólabraut gehe, fällt mir auf, wie oft die Worte Hóll oder Hólar, Anhöhe oder Hügelkuppen, mit Skarphéðinn Valgarðsson in Verbindung stehen: der Ort Hólar, das Hólar-Gebäude im Gymnasium, die Straße Hólabraut. Ich sehe keinen Zusammenhang. Vielleicht gibt es keinen Zusammenhang. Vielleicht war Hólar für ihn die Bezeichnung für den Mittelpunkt, das Zentrum aller Ereignisse. Die alte Hauptstadt des Nordlandes, der Mittelpunkt des Schulalltags, seine eigene Wohnung. Und er die Hauptperson.
    Er ist lediglich zu früh gestorben, um ins Alten- und Pflegeheim Hóll zu kommen.
     
    »War Ragna nett zu dir?«, fragt meine Freundin, die ihre letzten Tage im besagten Hóll fristet.
    »Ja, sie war nett. Sehr liebenswürdig«, entgegne ich und zähle die Risse im Giebel gegenüber meines Schranks.
    »Hast du Pfannkuchen bekommen?«
    »Nicht zu knapp.«
    Gunnhildur ächzt am Telefon. »Was ist das nur für ein Leben, mein Junge. Wenn man seinen Gästen noch nicht mal Pfannkuchen anbieten kann. Was ist das für ein Leben?«
    »Ist es denn nicht angenehm, diese ganzen Mühen hinter sich zu haben?«
    »Ich kann dir sagen, ich hab viel bessere Pfannkuchen gebacken als Ragna.« Sie verstummt, und ihre Gedanken schweifen ab, als sie sagt: »Das ist lange her.«
    »Hör mal, Gunnhildur, wer war eigentlich der Hausarzt deiner Tochter?«
    »Warum um Himmels willen möchtest du das denn wissen?«
    »Tja, ich überlege, ihn wegen ihres Gesundheitszustands zu kontaktieren.«
    »Gesundheitszustand? Meine Dísabjörk war kerngesund. In bester Verfassung. Bis Geiri sie umgebracht hat …«
    »Wie heißt der Arzt?«, unterbreche ich sie.
    »Der heißt Kalli.«
    »Kalli?«
    »Karl Hjartarson. Sie waren

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