Todesgott
Schulkameraden.«
Ich bedanke mich und verabschiede mich von ihr, bevor sie mich über den Gang meiner Nachforschungen zum Tod ihrer Tochter ausquetschen kann. Dann schlage ich im Telefonbuch den Namen Karl Hjartarson nach und hebe gerade optimistisch den Daumen, als das Telefon klingelt.
»Du machst das ganz großartig«, sagt Trausti Löve barsch.
»Besten Dank.«
»Was ist mit der Frage?«
»Die sucht nach einer Antwort«, sage ich, nur um etwas zu entgegnen.
»Mir wird schon seit langem schlecht bei deinen Spitzfindigkeiten. Was …«
»Dann kotz doch«, kontere ich. Ich weiß überhaupt nicht, worauf der Ressortleiter hinauswill.
»Was ist mit der Frage des Tages?«
Ups.
»Die sollte in der heutigen Ausgabe stehen, mein Freund. Ist es wirklich so schwer, daran zu denken?«
»Sprich mit Hannes darüber«, sage ich. »Ich konzentriere mich mit seinem Einverständnis auf den Fall Skarphéðinn Valgarðsson.«
»Es ist ja wohl nicht zu viel verlangt, eine Viertelstunde in die Frage des Tages zu investieren. Deine Nachforschungen im Fall Skarphéðinn sind nicht gerade von täglichen Erfolgen gekrönt. Langsam glaube ich, du bist rückfällig geworden. Dem Alkohol verfallen.«
Aus irgendwelchen Gründen verkrampfe ich mich und werde wütend. »Du kannst glauben, was du willst. Du bist ja schließlich Spezialist für falsche Schlussfolgerungen, ob du nun nüchtern oder besoffen bist von diesem verdammten Edelchampagner, den du permanent säufst.«
»Ach nee«, sagt Trausti. »Du bist ganz offensichtlich instabil, mein Freund. Ist das nicht normalerweise ein Anzeichen dafür, dass man rückfällig geworden ist oder darüber nachdenkt, rückfällig zu werden?«
»Du bekommst für die morgige Ausgabe eine Meldung und ein Foto von der Gang aus Reyðargerði; die sind heute Morgen entlassen worden. Stopf dir das …« Ich reiße mich zusammen. »Ich werde nächste Woche dran denken, dir die Frage des Tages aus Akureyri zu schicken. Sie lautet: Wer ist der erotischste Vollidiot Islands? Auf Nimmerwiederhören!«
»Ich äußere mich in den Medien nicht über meine Patienten«, sagt Dr. Karl Hjartarson, der mich nach zwei Stunden zurückruft.
»Aber Ásdís Björk Guðmundsdóttir ist nicht mehr deine Patientin«, quengele ich. »Sie ist tot.«
»Das ändert nichts. Ich beantworte keine Fragen über sie.« Er verstummt. »Außer eventuell mit der Zustimmung ihrer Angehörigen.«
»Welche Angehörigen? Kann ihre Mutter, Gunnhildur Bjargmundsdóttir, eine solche Erlaubnis geben?«
Er denkt nach. »Nein. Dafür brauche ich die Zustimmung ihres Mannes und ihres Sohnes.«
Ich nehme einen zweiten Anlauf.
»Ásdís Björks Sohn hat mir erzählt, sie hätte an Hypochondrie oder etwas Derartigem gelitten.«
»Das kann ich weder bestätigen noch dementieren. Welche Rolle spielt das denn? Was geht das die Medien an?«
»Also, Gunnhildur hat sich mit mir in Verbindung gesetzt und mir anvertraut, sie sei der Meinung, der Tod ihrer Tochter sei kein Unfall gewesen.«
Der Arzt schweigt. »Das ist Sache der Polizei. Soweit ich weiß, ist die zu einem anderen Ergebnis gekommen. Weißt du, was Hypochondrie ist?«
»Ásdís Björks Sohn Guðmundur hat mir gesagt, das isländische Wort dafür sei Einbildungskrankheit.«
»Ähäm«, räuspert sich Karl Hjartarson, sagt aber nichts.
»Willst du andeuten, dass ihre Mutter Gunnhildur ein Hypochonder ist?«
»Ich deute gar nichts an.«
»Ist Hypochondrie erblich?«
»Das habe ich nicht gesagt.«
»Was denn dann?«
»Du wirst von mir nichts darüber erfahren. Es sei denn, Ásdís Björks Ehemann stimmt dem zu.«
Das war’s dann wohl.
Zum Glück sind die Spezialisten im Internet auskunftsfreudiger als Dr. Karl Hjartarson. »Hypochonder sind von Gedanken und Sorgen bezüglich ihres Gesundheitszustands besessen«, heißt es in einem Artikel eines amerikanischen Arztes. »Die Diagnose ›Hypochondrie‹ bezeichnet den Zustand eines Patienten, der mindestens sechs Monate lang kontinuierlich davon überzeugt ist, an einer ernsthaften Krankheit zu leiden, obwohl einer oder mehrere Ärzte ihm das Gegenteil versichert haben. Hypochondrie ist bei Männern und Frauen gleichermaßen verbreitet und kommt in allen Altersgruppen und Gesellschaftsschichten vor.«
An anderer Stelle heißt es: »Der Patient leidet unter Kopfschmerzen, Magenschmerzen, Schwindel oder Müdigkeit und deutet diese Symptome als Anzeichen einer wesentlich gefährlicheren Krankheit, als
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