Todesgott
erscheinen?«
»Tja, falls ich morgen einen Termin bei dem Arzt bekomme, scheint es mir realistisch, den Artikel in der Wochenendausgabe am Samstag zu bringen.«
»Ich rufe Kalli an und gebe dir dann Bescheid. Wann möchtest du ihn treffen?«
»Ich muss ihn nicht unbedingt treffen. Ein Telefonat genügt«, antworte ich, verblüfft über die Hilfsbereitschaft des Mannes, der mich vor ein paar Tagen noch wüst beschimpft, mir gedroht und den Hörer aufgeknallt hat. Wir reichen uns die Hände. Als er die Tür schließt, bemerke ich, dass sein hellblaues Hemd unter den Achseln feucht geworden ist.
Auf meinem Weg nach draußen sehe ich am Empfang ein junges Mädchen sitzen. In einem der Büros arbeitet Ragna Ármannsdóttir konzentriert am Computer. An der Innenseite der Tür zum Treppenhaus hängt ein Plakat von der Aufführung des Schultheatervereins:
Loftur, der Magier
von Jóhann Sigurjónsson.
Ich bleibe stehen. Auf dem Plakat ist ein Foto von Skarphéðinn Valgarðsson in der Hauptrolle. Er trägt ein weißes, kragenloses Hemd und eine schwarze Weste und hält ein schwarzes Buch in der Hand, das er aufmerksam betrachtet. Darunter befinden sich drei Firmenlogos, wie üblich bei allem, was hierzulande mit finanzieller Unterstützung oder in Zusammenarbeit mit sogenannten Projektpartnern auf die Beine gestellt wird. Es sind das Hotel KEA , die Supermarktkette Bónus und zu guter Letzt die Süßwarenfabrik Nammi.
Ich wende mich an das Mädchen am Empfang. »Seid ihr Projektpartner bei dieser Aufführung des Schultheatervereins?«
»Ja«, antwortet sie und lächelt höflich. »Aber der Hauptdarsteller ist verstorben, und die Premiere wurde auf einen späteren Zeitpunkt nach den Frühjahrsprüfungen verschoben.«
Mein abendliches Gespräch mit dem Hauptkommissar in Akureyri klingt ungefähr so:
Ich: »Irgendwelche Neuigkeiten?«
Er: »Einmalig, diese Zuckerschnecken!«
»Welche Zuckerschnecken? Bist du auf Schürzenjagd?«
»Wirklich herrliche Zuckerschnecken. Wundervoll. Hast du die noch nie probiert?«
»Das ist schon so lange her, dass ich mich nicht mehr dran erinnern kann.«
»Man kann gar nicht mehr damit aufhören.«
»Das legt sich. Wird irgendwann weniger.«
»Namm, namm. Was gibt’s bei dir zu essen?«
»Ach, das meinst du! Nichts. Hab heute schon zu viel Süßes gegessen. Ich rufe dich ausnahmsweise mal ohne Ásbjörns Vermittlung an. Wollte ihn nicht stören. Hast du heute schon von ihm gehört?«
»Nein. Warum fragst du?«
»Tja, am besten erzählt er dir das selbst. Aber ich glaube, er kann heute Abend gut einen Freund gebrauchen.«
»Was? Ist was passiert? Hat er ein Problem?«
»Ich bin mir nicht sicher. Vielleicht ist es auch ein erfreuliches Problem.«
»Wie kann ein Problem erfreulich sein? Ist das Reykjavíker Slang?«
»Ruf ihn an.«
»Mache ich.«
»Aber trotzdem: Gibt’s was Neues, abgesehen von den Zuckerschnecken?«
»Nee. Wir gehen den Fall noch mal durch und überprüfen alles, wie ich dir gesagt habe. Aber zur Abwechslung muss ich dich mal was fragen.«
»Aber gerne, nur zu.«
»Du hast Skarphéðinn doch bei der Probe getroffen und ein Interview mit ihm gemacht, oder?«
»Stimmt. In der Woche vor Ostern, am Samstag. In Hólar.«
»Ist dir aufgefallen, ob er ein Handy dabeihatte?«
»Ja, hatte er. Es hat nämlich geklingelt, als wir mit dem Interview fertig waren.«
»Hm.«
»Was ist los?«
»Wir haben überall gesucht. Aber kein Handy gefunden. Und unter seinem Namen ist auch keine Handynummer registriert.«
»Aha. Immerhin kann man noch ein Handy erwerben, ohne dass Big Brother davon erfährt. Man kann diese Dinger doch überall kaufen, nicht nur in den entsprechenden Läden hierzulande. Auch im Ausland. Im Duty-free-Shop. Vom Nachbarn.«
»Ja, ja, ich weiß. Bleib mal beim Thema. Skarphéðinn ist nirgendwo mit einer SIM -Karte oder einer Mobilnummer registriert. Und wenn du mir jetzt erklären willst, dass man eine SIM -Karte kaufen kann, ohne dass Big Brother davon erfährt, dann halt lieber gleich den Mund. In Reykjavík muss nämlich jeder, der eine SIM -Karte kaufen will, seinen Ausweis vorzeigen, damit der Name zusammen mit der Nummer registriert werden kann, auch wenn ich das für überflüssig halte.«
»Ach ja? Entspricht das nicht den Bedürfnissen der Polizei?«
»Kann schon sein. Aber mich haben sie nicht gefragt.«
»Wie frustrierend.«
»Das ist normal. Die rufen mich nie an, bevor sie irgendwelchen Quatsch beschließen. Obwohl ich
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