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Todesgott

Todesgott

Titel: Todesgott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Árni Thórarinsson
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eine Grimasse und winkt ab. »Kein Wort mehr darüber. Kein Wort mehr über diesen Unsinn. Mein Sohn Guðmundur hat mir erzählt, dass die ganze Sache immerhin einen positiven Effekt hat: Ihr interessiert euch für Hypochondrie?«
    »Genau.«
    »Deshalb habe ich mich entschieden, dich zu treffen. Man kann sich gar nicht vorstellen, wie sehr es die Angehörigen belastet, wenn eine liebe Person an dieser furchtbaren Krankheit leidet.«
    »Am schlimmsten ist es ja wohl für den Kranken selbst«, rutscht es mir heraus, während ich das Aufnahmegerät einschalte.
    Ásgeir scheint mir glücklicherweise nicht zugehört zu haben. »Aber du musst mir versprechen, dass ich das Interview noch mal gegenlesen darf und dass es, wenn ich es wünsche, eine anonyme Ergänzung wird, eine Art Erfahrungsbericht innerhalb des eigentlichen Artikels.«
    »Okay«, sage ich. »Aber solche Interviews sind immer viel eindrücklicher, wenn man namentlich dazu steht.«
    »Schon möglich«, antwortet er nachdenklich. »Aber das ist meine Entscheidung.«
    Ich nicke.
    Er beginnt, über Hypochondrie im Allgemeinen zu sprechen, wobei er sich immer wieder konzentriert über den grauen Oberlippenbart streicht. Seine Schilderung beinhaltet im Vergleich zu den Informationen, die ich schon gesammelt habe, nichts Neues.
    Ich versuche, ihn in die richtige Richtung zu lotsen: »Wann hatte Ásdís Björk die ersten Symptome?«
    Er lässt sich nicht beirren und spricht überaus entgegenkommend weiter: »Kurz nach der Geburt unseres Sohnes. Sie war allerdings schon während der Schwangerschaft andauernd besorgt. Nahezu besessen von ihrer Schwangerschaft; sie hat ständig darüber nachgedacht, ob etwas nicht stimmen könnte, ob das Kind gesund sei, wie sie sich bewegen, ob sie rausgehen, Auto fahren oder dieses oder jenes essen dürfe. Aber soweit ich weiß, sind solche Reaktionen beim ersten Kind nicht ungewöhnlich. Nach Gummis Geburt richtete sie ihre Besorgnis mehr und mehr auf sich selbst. Sie war ständig müde, klagte über Magenkrämpfe, Atemnot und Schlaflosigkeit. Sie hat angefangen, sich regelmäßig einmal in der Woche von ihrem Hausarzt durchchecken zu lassen, später sogar zweimal in der Woche, und als er ihr sagte, es sei alles in Ordnung, hat sie ihm nicht geglaubt. Sie war der Meinung, nur sie allein könne wissen, wie es ihr ginge, und der Arzt sei eben nicht qualifiziert oder engagiert genug. Obwohl es sich um ihren alten Schulkameraden handelte, dem sie bis dahin hundertprozentig vertraut hatte.«
    »Karl Hjartarson«, werfe ich ein.
    Er war vollkommen in seine Schilderung versunken, schaut mich jetzt aber an. »Ja, woher weißt du das?«
    »Gunnhildur hat mir den Namen gesagt«, entgegne ich so scheinheilig wie möglich. »Und da unser letzter Kontakt nicht besonders ermutigend war, habe ich ihn angerufen und ihn nach der Krankheit gefragt. Aber er wollte mir ohne deine Zustimmung nichts darüber sagen.«
    Ásgeir nickt. »Wenn du mit ihm sprechen möchtest, bin ich einverstanden. Das heißt, falls du mit ihm über die Krankheit und nicht über unsere privaten Familienangelegenheiten sprechen möchtest.«
    »Natürlich.«
    Konzentriert redet er weiter: »Sowohl Kalli als auch ich haben versucht, sie davon zu überzeugen, dass sie gesund sei, da ja nichts gefunden worden war. Kalli hat vermutet, es handele sich um eine postnatale Depression, und langsam verflüchtigte sich Dísabjörks Besorgnis wieder. Viele Jahre hat sie sich voll und ganz auf Gummis Erziehung konzentriert; sie war eine wundervolle Mutter.« Er verstummt und wirkt einen Moment lang ganz gerührt; dann fügt er hinzu: »Und eine wundervolle Ehefrau.«
    »Und wann hat sich das Blatt wieder gewendet?«
    »Als Gummi in die Pubertät kam, hat sie sich große Sorgen um ihn gemacht. Vollkommen grundlos. Gummi hat sich ganz besonders bemüht, sie nicht aus dem Gleichgewicht zu bringen oder zu verunsichern. Er war ein guter, gewissenhafter Schüler. Daraufhin hat sie ihre Befürchtungen wieder auf sich selbst gerichtet. Wir haben beide bemerkt, dass sich Dísabjörk mehrmals am Tag den Puls maß. Sie meinte, ihr Herz würde zu schnell schlagen. Sobald sie den Eindruck hatte, ihr Herzschlag beschleunige sich nur minimal, wurde sie panisch. Sie ist immer wieder zu Kalli gegangen, aber der hat nichts feststellen können. Nach ein paar Monaten bekam sie Sodbrennen und glaubte sofort, es sei ein Magengeschwür. In den darauffolgenden Jahren bekam sie Kopfschmerzen und hielt sie für

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