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Todesgott

Todesgott

Titel: Todesgott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Árni Thórarinsson
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unsere ganze Gesellschaft hätte ein unbewusstes, wenn nicht gar bewusstes Bedürfnis nach Aufmerksamkeit. Ist denn unsere ganze Gesellschaft neurotisch?«
    Er lacht. »Könnte man so sagen. Könnte man wohl so diagnostizieren.«
    »Oder sogar einbildungskrank? Ein ganzes Volk von Hypochondern?«
    Er schweigt einen Moment. »Das würde ich so nicht unterstreichen. Aber eine gesellschaftliche ›Verkrankung‹, wie meine Kollegen es getauft haben, existiert sicherlich. Und ist besorgniserregend.«
    »Diese ganzen Persönlichkeitsstörungen. Hat mittlerweile nicht jeder irgendwas? Ist überhaupt noch irgendjemand normal?«
    »Tja, kommt drauf an, wie man das definiert. Psychologie gehört nicht zu meinen Spezialgebieten, obwohl ich mich in der letzten Zeit ziemlich intensiv damit beschäftigt habe. Beispielsweise habe ich in einer englischen Zeitschrift über eine Persönlichkeitsstörung gelesen, die sich auch auf die Gesellschaft beziehen lässt. Sie heißt ›Narzisstische Persönlichkeitsstörung‹, in Kurzform NPS , und ihr Name stammt natürlich von dem Mythos des Mannes, der in sein eigenes Spiegelbild verliebt war. Das Merkmal dieser Persönlichkeitsstörung ist eine hemmungslose Selbstverherrlichung, die in Amoralität und Skrupellosigkeit mündet. Laut eines britischen Spezialisten tritt die Diagnose NPS neuerdings im Zusammenhang mit fast allen schweren Verbrechen auf.«
    Eine selbstverherrlichende Gesellschaft, denke ich. Uralte Mythen werden in unserer modernen Zeit zu Fakten. Was hat Jóa noch mal gesagt?
    Wenn wir es wirklich wollen, dann finden wir Atlantis.
    Und was beschwor seinen Untergang herauf?
     
    »Warum fragst du mich ständig nach diesem Unfall?«, will Ólafur Gísli wissen, als ich ihn mit Ásbjörns Hilfe endlich erreicht habe.
    Ich beschließe, dass es an der Zeit ist, ihm von Gunnhildur und ihrem Verdacht zu erzählen.
    »Nun mach aber mal halblang«, sagt der Hauptkommissar. »Ich habe auch mit dieser netten alten Dame gesprochen. Sie hat nach dem Unfall andauernd bei uns angerufen. Aber es gibt einfach keinen Anhaltspunkt. Nicht mal einen winzig kleinen Beweis. Du willst doch wohl nicht über diese abartigen Wahnvorstellungen schreiben?«
    »Ich arbeite an einem Artikel über diese Krankheit, Hypochondrie. Erscheint am Wochenende.«
    »Aber die Frau ist nicht an Hypochondrie gestorben. Sie ist an ihren Verletzungen infolge des Sturzes in den Fluss gestorben. War mit irgendwelchen Pillen vollgepumpt.«
    »Mit Pillen vollgepumpt? Wenn ich das recht verstanden hab, hat sie in der letzten Zeit doch ausschließlich Prozac genommen.«
    »Wer sagt das?«
    »Ihr Arzt. Karl Hjartarson.«
    »Ach, der. Das hat er uns auch erzählt. Aber Medikamentensüchtige besorgen sich ihre Tabletten noch ganz woanders als bei ihrem Hausarzt. Die haben ihre Finger überall drin.«
    »Weiß man denn, welche Medikamente sich zum Todeszeitpunkt in ihrem Körper befanden?«
    Er blättert in seinen Unterlagen. »Jedenfalls eine ganze Menge, kann ich dir sagen. Ja, hier, da war Prozac, aber auch Beruhigungstabletten, zum Beispiel Valium, und Schlaftabletten, ich kann das kaum buchstabieren … Oxazepam … Triazolam … Zopiklon … Ich bin mir noch nicht mal sicher, ob man das alles bei uns in der Apotheke bekommt. Hier ist sogar Ritalin, und dann hat sie auf das ganze Zeug noch Bier getrunken.«
    »Und was sagt ihr Mann dazu?«
    »Er sagt das, was die meisten Angehörigen in solchen Fällen sagen, dass er überhaupt nichts über diesen starken Medikamentenkonsum wusste, geschweige denn, woher sein Frau die Pillen hätte.«
    »Wurden bei Ásdís Björks Sachen Arzneimittelverpackungen gefunden?«
    »Nein, nichts dergleichen. Aber das ist normal. Illegale Medikamente werden in den seltensten Fällen in den Originalverpackungen mit den dazugehörigen Beipackzetteln vertrieben.«
    »Hat man bei der Obduktion Anzeichen einer körperlichen Erkrankung festgestellt?«
    »Nein, die Frau war körperlich gesund, nur durch den Medikamentenkonsum ziemlich angeschlagen.«
    »Habt ihr das Gefäß gefunden, aus dem sie bei dem Ausflug getrunken hat?«
    »Nein, trotz ausgiebiger Suche. Die Leute haben aus Einwegbechern getrunken, die bereits das Zeitliche gesegnet haben. Sind auf der Müllkippe gelandet.«
    »Und es gibt keine Möglichkeit, sie dort ausfindig zu machen?«
    »Bist du verrückt?«
    »Ihr habt also keinen Verdacht, dass es in dem Fall Unverhältnismäßigkeiten geben könnte?«
    »Unverhältnismäßigkeiten? Was

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