Todeshunger
Bildschirm gezeigt hat? Der Grund ist ganz einfach – weil ich sonst nichts habe. Es gibt keine Alternative. Dies ist meine letzte Chance, die kann ich entweder nutzen oder Ellis für immer vergessen. Ich nehme die Axt vom Gürtel und ein Messer aus dem Mantelinneren und halte sie bereit. Jetzt fühle ich mich losgelöst von allem. Auf einer Seite stehen die Unveränderten, auf der anderen meine Leute, und allein, genau in der Mitte zwischen beiden, bin ich.
Ich setze mich am Straßenrand in Bewegung und sprinte mitten in den Strom der Menschen, die aus der Stadt hinauswollen. Die ersten Nachzügler, mit denen ich zusammenstoße,
schubse ich fast ohne Anstrengung weg; erst als ich die Mitte der Straße erreiche, muss ich tatsächlich töten, damit ich schneller vorankomme. Eine andere Möglichkeit habe ich nicht mehr, aber weil ich nur so in Bewegung bleiben kann, und nicht, weil ich sie unbedingt töten möchte. Ich werde mit dem Strom kaum mehr menschlichen Fleisches mitgerissen, der so tief und dicht gedrängt ist, dass ich manchmal nicht einmal richtig die Arme heben kann, um zu kämpfen. Ich hebe die Axt und schlage sie dem Mann direkt vor mir zwischen die Schulterblätter. Ich wirble ihn mit der Klinge im Rücken herum und trete ihn zu Boden. Eine Frau, die von der Masse hinter ihr vorwärtsgedrängt wird, stolpert über den Toten; ich schlage auch nach ihr und grabe die Axt tief in ihren Hals. Jetzt sind zwei erledigt, und die Leichen wirken wie ein Fels in der Mitte eines Bachs und kanalisieren den Strom der Flüchtlinge rechts und links von mir. Ich warte auf eine Reaktion, doch es erfolgt keine. Diese Menschen haben so viel gesehen und erlebt, dass meine Handlungsweise nichts Neues mehr für sie ist. Sie wollen nur davonkommen, scheiß auf alle anderen. Ein weiterer Mann stolpert über die Leichen auf dem Boden und stößt mit mir zusammen. Ich schwinge die Axt und treffe ihn so fest am Becken, dass er davonwirbelt und die Schneise noch verbreitert. Plötzlich stehe ich unerwartet in einem freien Raum. Ein großer und kräftiger Mann, viel stärker als ich, bricht aus der Phalanx aus und stürmt auf mich zu. Ich halte nur das Messer hoch, und der Dummkopf spießt sich selbst mit der Klinge auf. Ein weiterer stürzt sich auf mich, und nun dämmert ihnen offenbar, was ich bin. Ich weiche seinem amateurhaften, unkoordinierten Angriff aus, er stößt mit einem Teenagermädchen zusammen. Ein
kahlköpfiger Mann mit wildem Blick hilft ihr auf und schafft sie aus dem Weg, dann dreht er sich zu dem anderen Mann um und verpasst ihm einen Schlag in den Magen. Ich gehe weiter rückwärts und arbeite mich so über die Straße vor. In meinem Kielwasser brechen weitere verzweifelte, panische Handgemenge aus. Es spielt keine Rolle, ob sie zu fliehen, einander zu helfen oder mich zu schnappen versuchen – ihre Reaktionen sind immer gleich. Sie kämpfen. Und wenn sie einmal angefangen haben, kämpfen sie immer weiter. Ich zwänge mich relativ mühelos durch die Meute und schlage nur nach ihnen oder schlitze sie auf, wenn es sich nicht vermeiden lässt. Überall ringsum stürzen sich die Unveränderten aufeinander und vergessen mich dabei völlig.
Atemlos und blutig erreiche ich den Vorplatz des Hotels. Ich überquere den Parkplatz, gehe die Stufen zur Eingangstür hinauf und trete ein, während mehrere andere hinausstürmen. Ich fühle mich merkwürdig – seltsam unsichtbar und high von einer aufputschenden Mischung aus Adrenalin und Nervosität. Wenn ich überhaupt Angst empfinde, dann wird sie verdrängt von der ungeheuren Befriedigung, Aufregung und Erleichterung, weil ich endlich wieder getötet habe. Doch als ich mich in dem riesigen und dunklen Gebäude befinde, verspüre ich plötzlich eine Woge des Grauens. Lizzie könnte hier sein. Sie könnte sogar direkt neben mir stehen, denn ich kann kaum etwas erkennen. Was habe ich mir nur gedacht? Wie soll ich sie hier drinnen finden? Dachte ich, ich könnte einfach so zur Rezeption spazieren und mir ihre Zimmernummer geben lassen? Als ich mich im Erdgeschoss umsehe, wird mir erst bewusst, wie unzureichend meine Planungen waren. Es war ein Fehler. Die Zeit läuft mir davon.
Die Stadt dürfte nicht mehr lange existieren, und meine einzige Möglichkeit ist, in jedem einzelnen verfluchten Zimmer nachzusehen. Einen Sekundenbruchteil überlege ich, ob ich einfach umkehren und mich wieder in die Menschenmenge draußen stürzen soll, damit ich mich so lange es geht am Töten
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