Todeshunger
ich darauf zulaufe. Ich stoße sie auf, bevor die im Innern sie abschließen können. Drei unveränderte Frauen und ein Mann brüllen und kreischen in einer Sprache, die ich nicht verstehe. Hört sich wie Polnisch oder Russisch oder so ähnlich an … Ich drehe mich um und gehe, und eine folgt mir immer noch kreischend auf den Flur. Sie packt mich an den Beinen und fleht mich an, dass ich ihr helfen soll. Ich kicke sie weg und gehe weiter.
Oberster Stock. Mir gehen die Optionen aus.
Hier sind mehr abgeschlossene Türen, als ich Zeit habe. Ich bleibe vor der ersten stehen. Im Innern höre ich Stimmen, daher schlage ich mit der Axt auf das Schloss ein, und allmählich werden meine Arme bleischwer und müde von der Anstrengung. Das morsche Holz splittert, und die Tür geht auf, aber Lizzie ist nicht da; ich gehe weiter. Ich spüre ihre Erleichterung, als ich mich abwende. Die Tür wird zugeschlagen, ich höre, wie sie Möbel davorrücken, um sich abzusichern.
Zwei gegenüberliegende Türen sind beide verschlossen. Ich springe über den Leichnam eines Chinesen und drücke mich an die erste. Drinnen höre ich einen Mann auf Urdu oder Punjabi keifen, daher wende ich mich gleich der anderen zu und schlage mit der Axt auf das Holz um das Schloss herum ein. Ich höre einen Moment auf, als ich draußen eine weitere gewaltige Explosion höre und ein grellweißer Blitz alles wie ein Stroboskoplicht beleuchtet. Unmöglich, die Entfernung abzuschätzen, aber das scheint ziemlich nah gewesen zu sein. Zu nah. Ich spüre immer noch die Erschütterung in den Füßen, als ich weiter auf die Tür einhacke. Diese Tür ist stabiler als die anderen. Sie ist auch neuer, vermutlich erst kürzlich ausgetauscht worden. Offenbar bin ich nicht der Erste, der hier versucht, in ein Zimmer einzubrechen. Ich keuche vor Anstrengung, während ich immer und immer wieder auf die Tür einschlage, da ich unbedingt in dieses Zimmer will.
VIII
M ark presste das Gesicht fassungslos gegen den Türspion und beobachtete ungläubig, wie der Mann versuchte, die Tür des Zimmers direkt gegenüber einzuschlagen.
»Was ist los?«, fragte Kate und versuchte ihn wegzuziehen. Er antwortete nicht. Er konnte nicht antworten. Wie war das möglich? Wie hatte er sie gefunden? War es nur Zufall oder die schlimmste erdenkliche Pechsträhne? Hatte er tatsächlich nach ihnen gesucht? Aber woher konnte er wissen, dass sie sich hier befanden? Er sah über die Schulter zu Lizzie, die in der Ecke gegenüber stand, und sein fassungsloser Gesichtsausdruck sprach offenkundig Bände.
»Mark, was ist los? Was zum Teufel geht da vor?«, wollte Kate erneut wissen, und jetzt klang ihre Stimme panisch. Er beachtete sie nicht und sah stattdessen weiter Lizzie an. Sie kam näher und wurde dabei immer schneller. Sie hatte eine Ahnung, als wüsste sie bereits, was da draußen los war, und versuchte, Mark zur Seite zu drängen. Doch der wich nicht, wandte ihr den Rücken zu und presste erneut das Auge an den winzigen Türspion.
Er hatte ihn fast ein Jahr nicht gesehen und erkannte ihn kaum wieder, aber er war es eindeutig, daran bestand kein Zweifel. Danny McCoyne. Sein Cousin Danny. Der Sohn seiner Tante Jean. Der Junge, mit dem er bei zahllosen langweiligen Familienfesten Schabernack angestellt hatte, als sie noch Kinder waren. Der jämmerliche Verlierer mit dem aussichtslosen
Job, der am Ende mit zu vielen Kindern in einer zu kleinen Wohnung festsaß. Der berüchtigte Versager, den die anderen Familienmitglieder stets als mahnendes Beispiel nannten, wie man es im Leben nicht machen sollte. Lizzies Partner. Ein Mörder. Ein Hasser.
Draußen auf dem Flur schlug McCoyne weiter auf die Tür ein. Mark sah bestürzt die Wut und den Hass im verzerrten Gesicht seines Cousins und reagierte mit Abscheu darauf, was aus ihm geworden war. Er hatte stets unbeholfen und schlaksig gewirkt, als würde er sich in seinem eigenen Körper unwohl fühlen, doch diese Unsicherheit war mittlerweile Wildheit und mörderischer Absicht gewichen. Für Mark stellte Danny McCoyne plötzlich die Personifizierung der bis dahin anonymen Hasserbedrohung dar, und er spürte, wie seine Beine weich wurden beim Gedanken, er könnte sich ihm entgegenstellen müssen.
Lizzie packte Mark am Arm und zerrte ihn zur Seite. Sie hielt kurz das Auge an den Türspion, dann taumelte sie rückwärts von der Tür weg; man sah ihr den Schock, den der Anblick des Hassers ausgelöst hatte, deutlich an. Im Zimmer herrschte ungeheurer
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