Todeshunger
Boden. Mark versucht zu reagieren, aber die Unveränderten sind unrettbar langsam, und als er schließlich die Hände nach ihr ausstreckt, halte ich sie bereits fest. Ich lege ihr einen Arm um die Kehle und drücke ihr das Messer ans Gesicht. Dumme Kuh. Wenigstens hat sie zur Abwechslung einmal aufgehört zu kreischen und hält die Klappe. Ich beuge mich vor und schneide die Fußfesseln durch, dann erhebe ich mich langsam. Mark macht einen Schritt auf mich zu, aber ich piekse der Frau die Messerspitze in die Wange. Das Blut und ihre halb erstickten, schluchzenden Schreie bringen ihn zur Vernunft.
Ich trete die Badezimmertür auf und warte einen Moment, bis sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt haben. Verlogenes Pack, das Bad ist leer. Sie ist nicht da. Ich sehe eine dünne Matratze auf dem Boden, einige Decken, leere Wasserflaschen und Reste von Medikamentenund Lebensmittelverpackungen … aber keine Ellis. Ich nehme ihren Geruch wahr, aber sie ist fort.
»Wo ist sie?«, brülle ich, drehe mich um und halte der Frau die Klinge ans Auge.
»In Sicherheit«, antwortet Lizzie. »Lass Kate los, Danny.«
Verzweifelt versucht Mark erneut, mich anzugreifen; wie alle seiner Art denkt er zu sehr nach, statt instinktiv zu handeln. Ich bin viel schneller als er und sehe ihn aus einer Meile Entfernung kommen. Nicht einmal mit dem Gewicht dieser Schlampe im Arm ist er ein Gegner für mich. Ich trete ihm so hart in die Eier, dass er zusammenklappt.
»Wo?«, brülle ich erneut.
»Lass sie los, dann bringe ich dich hin«, sagt Lizzie.
Ich starre ihr direkt ins Gesicht und drücke der Frau den Hals fester zu. Sagt sie die Wahrheit? Habe ich eine Wahl? Ich könnte in Reichweite von Ellis sein, aber ohne Lizzie möglicherweise auch Meilen von ihr entfernt. Zu meinen Füßen verdreht Mark stöhnend die Augen.
»Bitte …«, wimmert er kläglich.
Ich könnte sie töten, lasse es aber. Plötzlich denke ich nur noch an Joseph Mallon. Ich sehe sein Gesicht vor mir und höre seine verfluchte Stimme in der Zelle, als er mir sagte, dass ich Feuer nicht mit Feuer bekämpfen und den Teufelskreis durchbrechen sollte. Hatte er recht? Die Stadt um uns herum geht vor die Hunde; kann ich es riskieren, meinen Instinkten nicht zu folgen und diese Wichser am Leben zu lassen? Ist es tatsächlich möglich, dass ich umso mehr verliere, je verbissener ich heute kämpfe?
Ich lasse die Frau los. Sie sinkt auf die Knie, kriecht auf allen vieren davon und schnappt nach Luft. Lizzie kommt zu mir und bleibt erst stehen, als wir uns fast berühren.
»Ich muss nur wissen, dass du dich um sie kümmerst und sie in Sicherheit bringst.«
»Wo ist sie?«, brülle ich und reiße mich eisern zusammen, damit ich nicht die Beherrschung verliere und angreife. »Sag mir einfach, wo …«
»Ich muss es aus deinem Mund hören, Danny.«
»Ich verspreche es dir, Liz. Ich bringe sie so weit von der Stadt weg, wie ich kann. Ich nehme mich ihrer an. Ich habe niemanden mehr, außer ihr.«
»Dann hast du mehr als ich«, sagt sie schluchzend. Sie sieht mir in die Augen; ich kann mich nicht abwenden. »Wir haben sie gestern Nacht weggebracht«, gesteht sie schließlich. »Wir konnten nicht mehr riskieren, sie hierzubehalten.«
»Was habt ihr mit ihr gemacht?«
»Sie ist in Sicherheit. Mark und ich wollten versuchen, sie aus der Stadt rauszuschaffen. Das war das kleinere von zwei Übeln …«
Mark steht auf. Er greift in die Tasche und holt einen Schlüsselbund heraus, den er Lizzie zuwirft.
»Bring ihn hin.«
»Ich kann nicht …«, sagt sie und fängt wieder an zu weinen.
»Es ist die einzige Möglichkeit. Hör doch, was da draußen passiert, Liz. Alles ist im Eimer. Er hat recht, bei ihm hat sie wenigstens eine Chance.«
»Aber wenn …?«
»Ich werde dir nicht wehtun«, versichere ich ihr, und es ist mein voller Ernst, auch wenn ich nicht weiß, ob sie mir glaubt. »Ich will nur Ellis. Bring mich zu ihr, und du siehst mich nie wieder.«
Sie nickt, bewegt sich aber immer noch nicht.
»Gib ihm einfach die Schlüssel«, sagt die schwangere Frau. »Soll er sie selbst suchen. Bleib hier bei uns.«
Lizzie schüttelt den Kopf und wischt sich die Augen ab. »Nein, ich komme mit. Ich möchte sie noch einmal sehen. Ein letztes Mal.«
37
I m hinteren Teil des Hotels befindet sich ein Notausgang, eine Feuertreppe, die an der rückwärtigen Fassade hinabführt. Lizzie, die mich mit Argusaugen beobachtet und ein Messer bei sich hat, das sie sicher nie benutzen
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