Todeshunger
das Wasser im Bad aufzuheben.«
Die Frau nickte und nahm ihr den Eimer ab. Mark gab ihr mehrere Tassen voll Wasser, das er am Fenster gesammelt hatte.
»Es ist sinnvoll, dass wir so viel wir können horten«, sagte er und nahm den leeren Eimer mit. Sie nickte, antwortete jedoch nicht.
Da der Flut vorübergehend Einhalt geboten war, setzte sich Kate erschöpft neben ihren Eltern auf einen feuchten Stuhl. Ihre Mutter schluchzte immer noch, aber Kate war zu kraftlos, um sie zu trösten. Stattdessen machte sie die Augen zu und strich mit den Händen über den angeschwollenen Bauch.
Mark nahm den letzten Topf Wasser und trug ihn ins Bad. Der Regen schien endlich nachzulassen. Die Frau im Schatten nahm ihn und goss ihn in die Badewanne.
»Danke, Lizzie«, sagte er.
21
I ch ertrage es nicht mehr lange. Stunden müssen vergangen sein, seit Mallon mich zurückgelassen hat. Ich kann das Essen nicht mehr riechen, weiß aber, dass es noch da ist, und ich will es haben. Meine Eingeweide fühlen sich an, als würden sie Purzelbäume schlagen und gleichzeitig zerrissen werden. Die Schmerzen sind unerträglich … als würde sich mein Körper selbst von innen auffressen. Ich versuche, den Hunger zu verdrängen, doch an dessen Stelle tritt nur hilflose Wut. Aus der Wut wird Verwirrung, aus der Verwirrung Angst. Durch die Angst fühlen sich meine schmerzenden Schultern, Arme und Beine tausendmal schlimmer an. Ich versuche, ganz still zu liegen, aber selbst die winzigste Bewegung ist eine Qual.
Was zum Teufel war das? Etwas bewegt sich auf mir. Es fühlt sich an, als würden Insekten über mein juckendes Bein kriechen. Vielleicht stimmt das ja? Ich habe meine Beine nicht mehr gesehen, seit ich an dieses Bett geschnallt aufgewacht bin. Wer weiß, ob das Jucken nicht von einer offenen, nicht behandelten Wunde stammt? Wer weiß, ob ich nicht eine Infektion habe und Maden, Würmer und weiß Gott noch alles sich an meinem Fleisch gütlich tun? Ich spüre, wie sie in dem Schnitt zucken und zappeln, sich durch die Haut fressen, tief in mich hineingraben.
Dann hört es wieder auf.
Bilde ich mir das alles nur ein? Oder war es etwas Größeres? Eine Maus oder Ratte?
Das Tropfen ist die einzige Ablenkung. Es ist jetzt konstant, fast wie Maschinengewehrfeuer, und es hört verdammt noch mal nie auf.
Ich könnte es beenden. Ich muss nur reden, hat er gesagt. Ihm nur diesen kleinen Triumph gönnen, und schon bekomme ich Licht und Essen und Wasser. Mein Gott, ich brauche so dringend etwas zu trinken …
Ich mache den Mund auf, damit ich um Hilfe rufen kann, besinne mich jedoch. Was zum Teufel denke ich mir? Habe ich vergessen, was Joseph Mallon ist und was seine Leute meiner Art angetan haben (und noch antun)? Sie sind der Grund, weshalb das alles geschehen ist. Ohne sie hätten wir nicht töten müssen, und meine Familie wäre noch vereint. Wir mussten sie zu unserem Schutz töten. Dieser ganze Krieg diente ausschließlich der Selbstverteidigung … das ist der einzige Grund dafür. Die haben ihn uns aufgezwungen. Allein der Gedanke, dass ich fast einen von denen um Gnade angefleht hätte … Himmel, was für ein Mensch wäre ich dann? Ich würde das Andenken aller, die in diesem Kampf gefallen sind, in den Dreck ziehen.
Aber warum nicht?
Warum sollte ich nicht reden?
Niemand wird es erfahren, und was habe ich schon für Möglichkeiten? Soll ich hier liegen und verhungern oder über meinen Schatten springen und kooperieren?
Nein … niemals … fast hätten die mich gehabt. Die wollen, dass ich genau das denke. Die wollen, dass ich unter dem Druck einknicke und mich unterwerfe. Warum sollte ich? Ich bin stärker als die alle. Ich bin klüger
und überdaure sie. Ich breche die, nicht umgekehrt. Wenn das alles überstanden ist, liegen die gebrochen am Boden, nicht ich. Und ich stehe mit ihrem Blut an den Händen über ihnen …
Nur kann ich momentan nicht stehen. Momentan kann ich mich nicht bewegen. Momentan kann ich ohne das Okay dieses Wichsers Mallon rein gar nichts tun. Verdammt noch mal, ich liege in meinem eigenen Dreck auf einem Bett und kann kaum klar denken. Ich habe keine Ahnung, welche Tageszeit es ist, wo ich mich befinde, wer mich hier festhält … und daran wird sich auch nichts ändern, wenn nicht jemand nachgibt. Die haben nichts zu verlieren. Sofern es Mallon nicht irgendeinen speziellen Nervenkitzel gibt, haben die doch nur eine Sorge weniger, wenn ich sterbe. Was aber passiert wirklich, wenn ich die
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