Todeshunger
Kate und Lizzie versuchten gemeinsam, sie von dem alten Mann herunterzuziehen, aber sie ließ nicht los, grub die zierlichen, klauenähnlichen Finger in die Haut und klammerte sich wie ein Schraubstock daran fest. Mark stieß sie beide zur Seite und schlang die Arme um die Taille der kleinen Hasserin. Er wich vom Bett zurück und zog dabei das Mädchen und den alten Mann mit sich. Lizzie löste die Finger ihrer Tochter vom Hals von Kates Vater und schob ihn wieder auf die Matratze. Hinter ihr schrie Kates Mutter, ein konstantes, ohrenbetäubendes, schrilles Kreischen, das völliges Entsetzen und Bestürzung ausdrückte.
»Was zum Teufel ist passiert?«, fragte Mark vor Anstrengung keuchend, während er sich bemühte, Ellis festzuhalten. Er schlang die Arme fester um ihre Brust und schränkte so ihre Bewegungsfähigkeit ein. Sie beugte den Kopf nach vorn und biss ihm in den Unterarm; nur der Ärmel der dicken Jacke schützte seine Haut. »Wo ist ihr verdammter Knebel abgeblieben?«
Bevor jemand antworten konnte, fuhr Ellis ruckartig mit dem Kopf zurück und rammte ihn gegen Marks Kinn. Er biss sich fest auf die Zunge und schrie vor Schmerz. Sie war kaum halb so groß wie er, bewegte sich aber weiterhin mit unglaublicher Wildheit und gab nicht auf, obwohl er sie fest im Klammergriff hatte. Er wusste, wären ihre Hände nicht
gefesselt, wären einige – wenn nicht alle – Menschen in diesem Hotelzimmer jetzt tot.
Ellis unternahm einen weiteren verzweifelten Versuch, sich zu befreien, krümmte den Rücken, entspannte sich, wiederholte es, strampelte mit den Beinen und trat Mark beim zweiten Mal direkt in die Eier. Es gelang ihr, einen Fuß gegen die Wand zu stemmen und zu drücken; die plötzliche Bewegung überraschte ihn derart, dass er umkippte. Durch den schmerzhaften Aufprall, als er gegen die Wand hinter sich stieß, verlor er den Halt. Ellis befreite sich aus seinem Griff und rannte wieder durch das Zimmer zu den alten Leuten, doch Kate wartete auf sie. Sie schlug ihr mit einem dicken Telefonbuch mitten ins Gesicht. Benommen sank Ellis auf die Knie.
»Nicht!«, schrie Lizzie und lief zu ihrer Tochter, als Kate sich über sie stellte und zu einem zweiten Schlag ausholte. Sie stieß die andere Frau aus dem Weg, ging in die Hocke und rammte Ellis eine Spritze in das nackte Bein. Ellis schrie vor Schmerz auf. Die Nadel steckte noch in ihrem Fleisch, da drehte sie sich um, schlug mit den gefesselten Händen nach ihrer Mutter und zerkratzte ihr mit den Nägeln die Wange, sodass drei parallele blutrote Striemen zurückblieben.
Und dann hörte sie auf.
Mit glasigen Augen versuchte sie, wieder aufzustehen. Sie machte zwei Schritte, dann kippte sie um und fiel mit dem Gesicht voran auf den schmutzigen Teppich. Sie versuchte nochmals, sich zu erheben, verlor jedoch das Bewusstsein, noch ehe sie den Kopf heben konnte.
Augenblicklich herrschte Stille in dem Zimmer. Sogar Kates Eltern verstummten. Gurmit Singh, der mit den Händen über dem Kopf an der Tür gelegen hatte, stand auf und griff nach dem Türknauf. Mark erhob sich ebenfalls, als die
pochenden Schmerzen in seinem Unterleib nachließen, und schrie ihn an.
»Wenn Sie diese Tür aufmachen und rausgehen, kommen Sie nicht mehr rein. Es ist Ihre Entscheidung.«
Singh sah ihn an. Mark war nicht sicher, ob der Mann ihn verstand oder nicht, stellte jedoch erleichtert fest, dass er mit der Hand am Türknauf zögerte und dann langsam zu dem Sessel zurückschlurfte, den er für sich beanspruchte. Er stieg über Ellis’ reglosen Körper und zeigte auf sie hinab.
»Böse«, zischte er. Er zeigte mit dem Finger zur Tür. »Furchtbares Kind! Fort! Nicht hier!«
Da Kate damit beschäftigt war, ihre plötzlich katatonischen Eltern zu versorgen, hielt Mark Ellis fest, während Lizzie ihr mit einem Stück Wäscheleine aus Nylon die Beine fesselte und sie dann knebelte. Sie strich eine antiseptische Salbe aus einer fast leeren Tube auf die zahllosen Blutergüsse und Abschürfungen, die Ellis’ ganzen Körper bedeckten, da sie seit Wochen gegen die Fesseln ankämpfte.
»Was zum Teufel ist passiert?«
Lizzie schüttelte den Kopf, wischte sich Tränen ab und versuchte, nicht die Beherrschung zu verlieren.
»Mir gehen die Tabletten aus. Ich habe ihr nur die halbe Dosis gegeben. Ich wollte sie gerade waschen, da … Ich dachte, sie wäre bewusstlos, aber anscheinend hat sie nur geschlafen oder mich ausgetrickst oder …«
Sie verstummte, fing an zu schluchzen und strich
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