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Todesinstinkt

Todesinstinkt

Titel: Todesinstinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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nicht für mich.«
     
    I m Expresszug nach New York las Littlemore einen ganzen Stapel Zeitungen, was ihn aufgrund seines Wissensvorsprungs gegenüber den Journalisten mit einem Gefühl von Unwirklichkeit, aber auch von bösen Vorahnungen erfüllte, wie einen Hellseher, der das Unausweichliche einer bevorstehenden Katastrophe erkannt hat. In Washington, so berichteten die Gazetten, musste Roberto Pesqueira, der Gesandte der mexikanischen Botschaft, bei einer Konferenz amerikanischer Geschäftsleute gewaltsam zum Schweigen gebracht werden, nachdem er darauf bestanden hatte, dass sein Land ein Recht auf seine Bodenschätze besaß. In Los Angeles kauften Mexikaner Munition in bedenklich großen
Mengen. In Mexiko flohen bereits die ersten amerikanischen Staatsbürger außer Landes.
    Nach dieser Lektüre zog Littlemore die Baupläne für die Münzanstalt in Lower Manhattan aus seiner Aktentasche. Die neuen Tresorräume dort glichen mehr als die jeder anderen Bank einer uneinnehmbaren Festung. Sie lagen fünfundzwanzig Meter unter dem Boden, waren mit getrennten Schichten aus Stahl und Beton verstärkt und nur durch eine einzige Tür am Ende eines einen Meter zwanzig breiten Tunnels zugänglich. Dazu war die gesamte Anlage umgeben von Alarmsystemen, Waffenarsenalen und sogar Lebensmittel- und Wasservorräten für den Fall einer Belagerung. Die Pläne waren 1917 vom damaligen Finanzminister William G. McAdoo genehmigt worden. Am unteren Rand eines weiteren Dokuments, das auf Littlemores Schoß lag, erschien die Unterschrift eines anderen Justizministers.
    Es war die Anweisung zur Verlegung der nationalen Goldreserven aus der Treasury in New York in die angrenzende Münzanstalt über eine Brückenverbindung, beginnend in der Nacht des 15. September 1920. Der Detective hatte die zerknitterte Urkunde weit hinten in einer Aktenschublade entdeckt. Wie er es geahnt hatte, war sie von Minister David Houston unterzeichnet.
     
    A m Abend speisten Younger und Colette bei den Littlemores. »Was machen Sie denn in Washington, Jimmy?«, erkundigte sich Colette. »Das muss ja was ganz Wichtiges sein.«
    »Nicht viel – ich zettle nur einen Krieg an.« Mehr als diese kryptische Antwort war ihm nicht zu entlocken.

    A ls die Frauen nach dem Essen abspülten, saßen Younger und Littlemore stumm am Tisch, und der Detective scharrte mit der Gabel über seinen Dessertteller.
    »Littlemore.«
    »Hmm?«
    »Sie schweigen ja noch hartnäckiger als ich.«
    »Kriege verlaufen nicht immer wie geplant, oder?«, fragte Littlemore.
    »Sie verlaufen nie wie geplant«, konstatierte Younger.
    »Wissen Sie noch, wie Sie gesagt haben, dass der Anschlag auf der Wall Street dazu gedient hat, Menschen zu ermorden? Was wollen diese Mörder? Wie war das bei den Serben, die 1914 diesen österreichischen Herzog erledigt haben? Was wollten sie?«
    »Krieg.«
    »Und den haben sie gekriegt.«
    »Einen Krieg, wie sie ihn sich in ihren wildesten Träumen nicht hätten vorstellen können.«
     
    A m nächsten Morgen berichteten die Zeitungen, dass Senator Fall, der am Vortag seine Absicht zur Teilnahme an der Amtseinführung General Obregóns erklärt hatte, von der mexikanischen Botschaft kein Einreisevisum erhalten hatte. Auf Nachfragen gab der für diese Entscheidung zuständige Gesandte Mr. Pesqueira lediglich an, dass der Senator ein Feind des mexikanischen Volks sei.
    Inzwischen marschierte die US Army an der mexikanischen Grenze auf. Depeschen aus Mexiko-Stadt meldeten, dass der designierte Präsident Obregón wegen einer plötzlichen Erkrankung verhindert sei, die ersten geplanten Feierlichkeiten zu besuchen.

    C olette hatte für diesen Vormittag ein Treffen mit Mrs. William B. Meloney vereinbart, der Vorsitzenden des Marie-Curie-Radiumfonds. Bevor sie aufbrach, forderte Younger sie zum Packen auf.
    »Warum?«
    »Wir wechseln das Hotel.« Zum Teil war dieser Umzug eine Vorsichtsmaßnahme. Außer Freud hatte Younger niemandem verraten, wo er und Colette absteigen wollten, aber es war nicht auszuschließen, dass jemand den Hafen im Auge behielt und sie erkannt hatte. Oder dass jemand die transatlantischen Telegramme überwachte und Freuds Mitteilungen entdeckt hatte. Doch Youngers Hauptmotiv war pekuniärer Natur. Er benötigte eine billigere Unterkunft.
    Mit der Untergrundbahn gelangten sie zu Mrs. Meloneys Haus an der West Twelfth Street. Younger hatte darauf bestanden, sie bis hier zu begleiten. Dann fuhr er weiter, ließ Colette jedoch vorher schwören, die

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