Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Todesinstinkt

Todesinstinkt

Titel: Todesinstinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
Vom Netzwerk:
Jimmys Kollege Spanky aus dem Hotel gebracht hat.«
    »Stanky, Miss«, verbesserte Littlemore, »nicht Spanky.«
    Younger schwieg.
    »Von wem war der Brief?«, erkundigte sich der Detective.
    »Von einem Polizisten, der mir bei einem Besuch in Wien geholfen hat. Hans kommt aus dem Gefängnis, Stratham. In wenigen Wochen schon. Ich muss zurück.«

TEIL II

8
    A m Morgen nach dem Anschlag versammelten sich hunderttausend Menschen auf der Wall Street.
    Sie kamen unaufgefordert, angelockt von der Verwüstung, von der nachklingenden Nähe des Todes. Einige waren angereiste Gaffer. Andere arbeiteten ohnehin im Bankenviertel. Doch die meisten drifteten heran wie Wanderer ohne festes Ziel, bewegt von einem Bedürfnis, das sie nicht hätten benennen können, als könnte ihre Anwesenheit eine Leere füllen, die sie spürten, ohne davon zu wissen.
    Somit wurde die Feier des Verfassungstages zur größten, die das Land je erlebt hatte. Die ganze Nacht über hatten sich Arbeiter abgeplagt, um vor George Washingtons bronzener Statue eine Holzplattform zu errichten. Rot, weiß und blau flatterten die Wimpel, dazwischen amerikanische Fahnen. Zusammen mit der bis an die Zähne bewaffneten Kompanie Soldaten, die noch immer das Schatzamt bewachte, entstand eine optische Mischung aus Feiertag und Belagerung.
    Man hielt patriotische Reden, man sang »America the Beautiful«, und auf Tausenden Gesichtern glänzten Tränen. Während noch die Worte »sea to shining sea« durch die Straßenschluchten von Lower Manhattan schallten, trat ein Brigadegeneral mit rotem Gesicht und weißem Backenbart aufs Podium. Die Menge wurde still.
    »Der sechzehnte September.« Seine Stimme hallte von
Wolkenkratzern wider. »Ein Datum, das Amerika nie vergessen wird. Der sechzehnte September, ein Tag, an dem die Amerikaner für alle Zeiten sagen werden, dass sich unser Land unwiderruflich verändert hat. Der sechzehnte September. Hier, an dieser Stelle wurde eine der größten Gräueltaten in der Geschichte unseres Landes begangen. Wollen wir als amerikanische Bürger die Augen vor diesem schändlichen Verbrechen verschließen? Ich sage Nein, tausend Mal Nein.«
    Das Wort wurde Tausende von Malen wiederholt.
    Der Brigadegeneral hob die Arme, um den Rufen der Menge Einhalt zu gebieten. »Wir müssen und werden diese Vampire ihrer gerechten Strafe zuführen.«
    Donnernder Applaus.
    »Meine Damen und Herren, heute Morgen habe ich mit Justizminister A. Mitchell Palmer gesprochen.« Palmers Name löste abermals Jubel und Getrampel aus. »Minister Palmer wäre heute gern persönlich hergekommen, aber leider war es ihm nicht möglich. Aber ich soll Ihnen in seinem Auftrag versichern, dass er in diesem Augenblick nicht nur auf dem Weg in unsere Stadt ist, sondern auch bereits die Identität der heimtückischen Täter kennt. Ja, er hat ihr Geständnis – ihr prahlerisches Geständnis – in der Hand. Und er hat eine Botschaft an uns und an unsere Feinde. Justizminister Palmer sagt, und ich zitiere wörtlich: ›Ich werde das Land reinigen von ihrem fremden Schmutz!‹«
    Ein Brüllen der Genugtuung und ein begeistertes »Ja! Ja! Ja!« brandeten durch die Menge. Auf der Bühne stimmte ein junger Mann die Nationalhymne an. Hunderttausend Stimmen fielen kraftvoll ein.

    Y ounger schrieb gerade an einem kleinen Tisch im Wohnzimmer der Littlemores einen Brief, als er Luc hinter sich spürte, ohne ihn eigentlich gehört zu haben.
    In der zurückliegenden Stunde hatte Betty Littlemore eine endlose Reihe kleiner Littlemores angezogen, verköstigt und zur Schule geschickt. Doch noch immer herrschte keine Ruhe in der Wohnung: Babys schrien, Knirpse klapperten mit Kochtöpfen, und die Frau und die Schwiegermutter des Detectives diskutierten wortreich in der Küche. Younger verstand ihr Italienisch nicht, aber offensichtlich drehte sich das Gespräch um ein Thema, zu dem Mutter wie Tochter eine sehr entschiedene Meinung vertraten.
    Younger wandte sich zu Luc um. Der Junge stand auf der anderen Seite des Raums, völlig reglos und wie immer stumm. Sein langes, schmutzig blondes Haar war sorgfältig gekämmt, und in seinen großen, aufmerksamen Augen spiegelte sich die Beschäftigung mit einer Vielzahl von Gedanken wider, von denen kein einziger preisgegeben wurde.
    »Deine Schwester hat dir bestimmt von ihrem Plan erzählt, zurück nach Europa zu reisen.« Younger redete Französisch.
    Luc nickte.
    »Und jetzt fragst du dich wahrscheinlich, ob ich sie umstimmen will.«
    Wieder

Weitere Kostenlose Bücher