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Todesinstinkt

Todesinstinkt

Titel: Todesinstinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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nickte der Kleine.
    »Die Antwort ist nein. Sie weiß, was sie tut.«
    Luc schüttelte den Kopf – nur einmal, ganz leicht.
    »Doch, sie weiß es.« Younger legte den Füllfederhalter weg und blickte zurückgelehnt durchs Fenster. Dann drehte
er sich wieder zu dem Jungen um. »Nun, wenn ihr wirklich nach Europa zurückreist, dann sollten wir keine Zeit verschwenden, nicht wahr? Bring mir mal eine Zeitung, dann schauen wir nach, wann die Yankees spielen. Was hältst du davon? Vielleicht schafft Babe Ruth heute seinen fünfzigsten Homerun.«
    Sogleich flitzte der Junge davon und kehrte kurz darauf mit der Morgenzeitung in der Hand und einem enttäuschten Ausdruck im Gesicht zurück.
    Younger blickte auf die Seite, die Luc aufgeschlagen hatte: Die Yankees spielten nicht im Yankee Stadium, sondern auswärts, was der Kleine offenbar begriffen hatte. »Kannst du Englisch lesen?«
    Luc zuckte die Achseln.
    »Verstehe.« Younger erinnerte sich, wie er als Junge einmal seinen Vater damit überrascht hatte, dass er sich ohne Hilfe Grundkenntnisse des Lateinischen angeeignet hatte. Außerdem erinnerte er sich noch, wie er alle Ereignisse im Haushalt beobachtet und Dinge im Gesicht seiner Mutter gelesen hatte, die gar nicht für ihn bestimmt waren. »Kannst du reden, Luc? Ich fordere dich nicht zum Sprechen auf. Ich möchte nur wissen, ob du es kannst. Ja oder nein.«
    Der Junge starrte ihn unbewegt an.
    »Na gut. Schade, das mit den Yankees. Lass mich überlegen – hättest du Lust, das Dach des höchsten Hauses auf der ganzen Welt zu besuchen?«
    Lucs Augen strahlten.
    »Dann frag mal deine Schwester, ob sie dich lässt. Und ob sie mitkommt.«

    E igentlich hätte man Detective Littlemore für einen der Herren von der Presse halten können, die sich im Astor Hotel auf unbequemen Stühlen drängten — wenn seine Hände nicht in den Taschen gesteckt hätten, im Gegensatz zu denen der Journalisten, die eifrig die Bemerkungen William Flynns mitkritzelten. Der Direktor des Federal Bureau of Investigation stand neben einer Tafel, die das Straßennetz von Lower Manhattan zeigte. Chief Flynn hatte mehrere Räume im Astor mit Beschlag belegt und sie zu seiner persönlichen Kommandozentrale umfunktioniert. Zahnstocherkauend hockte Littlemore in der letzten Reihe, den Strohhut so weit ins Genick geschoben, dass es aussah, als hätte er starken Gegenwind.
    Der knollennasige Flynn hatte wuchtige Schultern, einen entsprechend voluminösen Bauch und überraschend glattrasierte, rosige Wangen. Der dunkle Anzug, die Krawatte, das kurze braune Haar und der Schnurrbart verliehen ihm eine erstaunliche Ähnlichkeit mit dem Rausschmeißer eines Nachtclubs. Er selbst hatte jedoch eher eine martialische Auffassung von sich. Für Flynn war die Vollstreckung des Gesetzes vor allem eine militärische Angelegenheit, und er war stolz darauf, den einschlägigen Jargon zu beherrschen. »Gestern gegen zwölf null null«, begann er und tippte mit einem Zeigestab auf die Tafel, »detonierte vor der Morgan Bank in der 23 Wall Street eine Sprengvorrichtung.«
    »Sie meinen eine Bombe?«, erkundigte sich ein Pressevertreter.
    »Das ist korrekt«, antwortete Flynn.
    »Captain Carey meint, es könnte sich um einen Dynamitwagen gehandelt haben«, rief ein anderer.

    »Die New Yorker Polizei hat nicht das Geringste mit dieser Ermittlung zu tun«, blaffte Flynn zurück. »Die Sprengvorrichtung wurde in einem mit Tierkraft betriebenen Fahrzeug zum Tatort transportiert.«
    »Mit einem Pferdekarren?«
    »Hab ich das nicht gerade gesagt?« Flynns Stimme wurde schroff. »Jetzt reißt euch mal am Riemen und lasst mich ausreden. Ich habe nämlich was Wichtiges für euch, Jungs, und wenn ihr endlich die Klappe haltet, komme ich vielleicht dazu, es euch zu sagen. Gestern Vormittag um elf dreißig hat ein US-Zusteller einen Postbehälter geöffnet.« Er tippte auf eine andere Stelle an der Tafel. »Hier an der Ecke Cedar Street und Broadway. Zu diesem Zeitpunkt war der Behälter leer. Um elf achtundfünfzig überprüfte der Zusteller diesen Behälter erneut und fand darin fünf Wurfsendungen ohne irgendeinen Umschlag. Drei Minuten später hörte der Zusteller einen lauten Knall, der von der Sprengung der Sprengvorrichtung herrührte. Auf Anordnung von Minister Palmer machen wir diese Wurfsendungen hiermit bekannt, damit die gesetzestreuen Bürger dieses Landes wissen, wer ihre Feinde sind.«
    Flynn reichte fünf Flugblätter herum. »Aber nicht daran herumtatschen! Wer eins

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