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Todesinstinkt

Todesinstinkt

Titel: Todesinstinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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abgebrochen.
    Sie band ihr Haar zu einem langen Zopf zusammen und warf es hinter eine Schulter des Strahlenschutzanzugs. Dann fasste sie sich mit beiden Händen an den Hals und zog die Kette mit dem Medaillon hervor, das sie immer trug. Nachdem sie die raffiniert gestaltete Einfassung erst in die eine, dann in die andere Richtung gedreht hatte, öffnete Colette die beiden Hälften des Medaillons. In ihre hohle Hand fiel ein dünnes, angelaufenes Metallplättchen, oval wie eine längliche Münze, mit zwei winzigen Löchern.
    Eine Seite des Metallplättchens war nackt. Colette drehte es um, und ihr Blick ruhte auf einer Inschrift aus maschinengestanzten Buchstaben und Ziffern: Hans Gruber, Braunau am Inn, 20.4.89, 2. Ers. Masch. Gew. K., 3. A.K. Nr. 1128.
     
    O bwohl Samstag war, sah Littlemore Licht im Büro des Polizeichefs. Der Detective klopfte und trat ein.
    »Captain Littlemore, Sie wollte ich sowieso sprechen.«
In seinem Sessel an einem großen Fenster blickte Commissioner Enright von einem Bericht auf. Enright wurde von seinen Beamten verehrt. Er war der einzige Polizeichef in der Geschichte New Yorks, der von ganz unten in diese Position aufgestiegen war. »Ich habe mich mit den Kanadiern in Verbindung gesetzt. Sie sind zur Auslieferung bereit. Schicken Sie jemanden nach Ontario, um diesen Edwin Fischer abzuholen.«
    »Sind schon unterwegs, Mr. Enright«, antwortete Littlemore.
    »Das ist die richtige Einstellung. Sie haben gestern Direktor Flynn vom Bureau kennengelernt. Wie war Ihr Eindruck?«
    »Von Big Bill kriegen wir nichts, Commissioner. Fischer zum Beispiel. Flynn wusste bereits, dass Fischer in Haft ist. Wollte aber nicht verraten, wo. Auch nicht, woher er es wusste. Und das, nachdem wir ihm unser ganzes Beweismaterial überlassen hatten.«
    Betrübt schüttelte Enright den Kopf. »Genau wie ich es erwartet habe. Deswegen habe ich Sie als Verbindungsmann eingeteilt. Die haben vielleicht größere Mittel als wir, Littlemore, aber nicht mehr Hirn. Sorgen Sie dafür, dass wir ihnen immer einen Schritt voraus sind, damit wir die Trümpfe in der Hand behalten. Flynn hat die Wurfsendungen gefunden, die nächste Entdeckung muss von uns kommen.«
    »Diese Wurfsendungen gefallen mir nicht, Sir.«
    Enright musterte ihn prüfend. »Sie gefallen Ihnen nicht?«
    »Flynns Story haut einfach nicht hin. Die Attentäter können unmöglich bis 11.58 Uhr von der Wall Street zum Briefkasten
gekommen sein. Außerdem passt der Text auf den Flugblättern nicht. Kein Wort von einem Bombenanschlag. Wenn ich der Wall-Street-Attentäter bin und allen erzählen will, dass ich es war, dann schreibe ich das auch hin. Mr. Enright, ich bin nicht mal sicher, dass die Wurfsendungen aus dem bewussten Briefkasten abgeholt wurden. Gerade hab ich mit dem Postboten gesprochen, der dafür zuständig ist. Er ist an dem Vormittag heimgegangen, weil ihm schlecht war.«
    »Worauf wollen Sie hinaus, Littlemore?«
    »Auf gar nichts, Sir. Ich weiß nur, dass Flynn unseren Anschlag unbedingt mit denen von 1918 und 1919 in Verbindung bringen will. Er hat sogar behauptet, dass die Bombe im Chicagoer Postamt am dritten Donnerstag im September gezündet wurde und dass der Sechzehnte der genaue Jahrestag ist.«
    »Ja, das hab ich in der New York Times gelesen.«
    »Die Bombe in Chicago ist am vierten September 1918 hochgegangen, Mr. Enright. Keine Ahnung, ob das ein Donnerstag war, aber der dritte Donnerstag war es bestimmt nicht. Jedenfalls sollten wir die Augen offenhalten.«
    »Sicher, das sollten wir«, sagte Enright. »Und deswegen reden wir auch mit Mr. Fischer. Aber ich muss Ihnen mitteilen, dass ich nach den bisherigen Erkenntnissen die Einschätzung von Minister Palmer teile: Der Anschlag auf die Wall Street war das Werk bolschewistischer Anarchisten. Wer sonst sollte eine solche Tat begehen? Der Große Krieg hat nicht 1918 geendet. Es war ein Fehler, unsere Truppen aus Russland abzuziehen. Wir haben ihnen die Möglichkeit gegeben, den Krieg in unser Land zu tragen. Wilson ist hilflos, aber nach der Wahl wird sich alles ändern. Harding wird
den Krieg vor Lenins Haustür bringen, wo er hingehört. Das wäre alles, Captain.«
     
    F rüh am nächsten Morgen kehrte Younger ins Bellevue Hospital zurück. Im Krankenhaus war es still, obwohl es nach wie vor hoffnungslos überfüllt war. Doch am Sonntag war viel weniger Personal vor Ort, und es wurde kaum jemand behandelt.
    In einem Bad im ersten Stock streifte sich Younger einen weißen Kittel

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