Todeskette
Stellvertreter gemacht hatte.
Als das Boot an dem Steg angelegt hatte, stieg Calouste Doubenkian auf den Steg und ging ihn, noch etwas schwankend, entlang. Er war ein eher klein gewachsener Mann, der einen langen schwarzen Mantel und eine russische Pelzmütze trug. Sein Gesicht war länglich und blass, und seine Augen versteckten sich hinter einer dunklen Brille.
»Ist es hier sicher?«, fragte er Max mit einer sanften, fast schnurrenden Stimme, die Max jedes Mal aufs Neue beängstigend fand. Sein Englisch war fehlerfrei.
»Ja. Ich habe mich genau umgesehen.«
»Wann denn?«
»Vor einer Viertelstunde.«
»Dann solltest du dich jetzt vielleicht noch einmal umsehen, meinst du nicht auch, Max?«
»Jawohl, Mr. Doubenkian«, erwiderte Max nervös. »Wenn Sie hier kurz warten wollen, ich bin gleich wieder da.«
»Habe ich dir nicht verboten, meinen Namen auszusprechen?«
»Jawohl, Sir. Tut mir leid, Sir.«
»Ich komme mit dir.«
»Dann wäre es besser, wenn Sie direkt in meine Fußstapfen treten, Sir. Die Marschen hier können sehr tückisch sein. So mancher, der vom Weg abkam, ist schon darin versunken.«
»In einem solchen Sumpf kann man wunderbar Leichen verschwinden lassen.«
»Das ist richtig, Sir. Ich gehe dann mal voraus.«
Der Mond, der hinter den dunklen Wolken hervorgekommen war, warf einen silbernen Schein auf das sumpfige Grasland hinter dem Deich. Jetzt, da das Geräusch des sich wieder entfernenden Schlauchboots verklungen war, herrschte erneut tiefe Stille. Während Doubenkian Max vorsichtig von einem Trittstein zum nächsten folgte, machte ihm die Stille, gepaart mit der Vorstellung, dass nur ein einziger Fehltritt genügte, um hier für immer zu versinken, schwer zu schaffen.
»Hast du alle Vorkehrungen getroffen, dass Tweed eliminiert wird, bevor er Hengistbury Manor erreicht?«, fragte er mit leiser Stimme.
»In sechsunddreißig Stunden kann Ihr Mr. Tweed die Radieschen von unten betrachten«, erwiderte Max aufgeräumt. »Ich habe meine Leute überall in England. Tweed wird Ihnen nie wieder in die Quere kommen und…«
Max hielt mitten im Satz inne. Sie befanden sich kurz vor der einsamen Landstraße, an der in einiger Entfernung die Fahrzeuge abgestellt waren. Im Mondlicht sah Max auf der Straße eine rothaarige Frau stehen, die so wirkte, als ob sie sich verlaufen hätte.
»Mach sie kalt«, flüsterte Doubenkian von hinten.
»Aber vielleicht hat sie uns gar nicht gehört.«
»Egal. Sicher ist sicher.«
»Aber ich kann doch nicht…«
»Tu, was ich sage, Max. Mach sie kalt.«
Zähneknirschend trat Max auf die Straße. Die Frau, die noch sehr jung zu sein schien, kam lächelnd auf ihn zu.
»Was bin ich froh, dass ich hier jemanden treffe!«, sagte sie. »Ich hatte Streit mit meinem Freund, der an der Küste eine kleine Hütte hat, und bin einfach weggerannt. Sieht ganz so aus, als ob ich mich verlaufen hätte.«
Max holte tief Luft und trat auf die Frau zu. Sie war schlank und hübsch und sah so aus, als ob sie noch keine zwanzig wäre. Max packte sie um die Taille und hielt ihr gleichzeitig den Mund zu, damit sie nicht schreien konnte. Dann trug er die wild zappelnde Frau über den schmalen Pfad und warf sie in den Sumpf. Obwohl sie verzweifelt versuchte, wieder auf festen Boden zu kommen, war sie binnen Sekunden im Morast versunken. Alles ging so schnell, dass sie nicht einmal mehr schreien konnte. Nur ein leises Blubbern war zu hören, dann senkte sich abermals tiefe Stille über das Marschland der Wash.
»Die kann uns nicht mehr verraten«, bemerkte Doubenkian trocken.
Max blickte nach Norden auf die vom Mondlicht gespenstisch beleuchtete Öde des Salzwassersumpfs. Er wollte so schnell wie möglich von hier verschwinden.
»Tut mir leid, dass wir Sie an einem so ungastlichen Ort wie diesem an Land holen mussten«, sagte er. »Aber das ist nun einmal einer der verlassensten Küstenstriche Großbritanniens.«
»Ist doch wunderbar hier«, erwiderte Doubenkian, der in den Steppen Zentralasiens aufgewachsen war, knapp. »Wo steht dein Wagen?«
»Nicht weit von hier. Ich hielt es für klug, ihn nicht zu nahe an dem Pfad zum Steg zu parken.«
Schweigend ließ sich Doubenkian von Max die Straße entlangführen, bis er im Mondlicht zwei Fahrzeuge sah. Eines von ihnen war Max’ alter Ford, das andere eine schwarz schimmernde Stretchlimousine. Als Doubenkian sich der Limousine näherte, sprang ein uniformierter Chauffeur heraus und hielt ihm eine der hinteren Türen auf.
»Der
Weitere Kostenlose Bücher