Todeskind: Thriller (German Edition)
wandte sich stirnrunzelnd an Deacon, der ihn nachdenklich musterte. »Was?«
»Ich versuche nur, dich zu durchschauen«, murmelte Deacon. »Als ich eben kam, machtest du den Eindruck, als wolltest du den Kerl da in der Luft zerreißen, aber jetzt schnauzt du mich an, weil ich auf die Samthandschuhe verzichtet habe.«
Joseph blinzelte. »Unsinn.«
Deacon riss die Augen auf. »Ach ja?. Nun, Carter – mich kannst du nicht täuschen. Also, was hat der Bursche dir angetan?«
»Nichts.« Joseph schluckte seinen Ärger hinunter, wenngleich Deacon so tat, als hätte er Mühe, sich das Grinsen zu verbeißen. »Maynard arbeitet mit der Verlobten meines Bruders zusammen. Mein Bruder hat volles Vertrauen zu ihm, und das bedeutet, dass ich das auch habe. Jedenfalls hat Maynard Zacharias nicht umgebracht.«
»Tja, wer weiß. Obwohl ich geneigt wäre, dir zuzustimmen. Also – was hat er dir angetan?«
Joseph zählte im Geist von zehn rückwärts und war froh, dass nun eine Frau um die fünfzig in weißem Overall und mit schweren Gerätekoffern in beiden Händen auf sie zugeeilt kam. Dr. Fiona Brodie wirkte mit ihren knapp eins sechzig zu zierlich, um ihre eigene Ausrüstung zu tragen, aber Joseph hatte schon vor langer Zeit gelernt, dass man ihr am besten nicht einmal den Vorschlag machte, ihr die Last abzunehmen.
Brodie war schon mindestens dreißig Jahre als Forensikerin beim FBI. Joseph kannte sie seit seiner Zeit auf der Akademie, wo er in ihrer Stunde Blutspritzer analysiert hatte. Wie seine Mutter war sie eine merkwürdig zeitlose Person, die sich niemals zu verändern schien. Tatsächlich aber hatte Dr. Brodie sich vom VCET anwerben lassen, weil sie vor dem Ruhestand noch einmal etwas anderes machen wollte. Dieser Fall mochte ihr diesen Wunsch durchaus erfüllen, dachte Joseph grimmig. Er ging ihr entgegen. »Dr. Brodie. Schön, dass Sie hier sind.«
Sie blieb vor der Leiche stehen, ließ die Szene auf sich wirken und zog die Stirn in Falten. »Wer hat ihn angefasst? Wer hat die Kartons bewegt?« Strafend sah sie ihn über die Schulter hinweg an. »Irgendjemand hat den Tatort kontaminiert.«
Joseph fühlte sich bemüßigt, sich zu verteidigen. »Ein Obdachloser hat ihn gefunden.« Er deutet auf die Plastiktüte. »Er hat dem Opfer die Schuhe geklaut und ihn durchsucht.«
»Oh, entschuldigen Sie. Es wäre nicht das erste Mal, dass ein Agent an einem Tatort rumpfuscht.« Sie musterte ihn kritisch. »Allerdings wäre es das erste Mal gewesen, dass Sie am Tatort rumpfuschen. Gut, dass Sie es nicht getan haben!« Die Forensikerin zog die Brauen hoch. »Bo sagt, dass Sie die Untersuchung leiten.«
Da schau her. Das hatte Bo ihm zwar nicht ausdrücklich mitgeteilt, aber er hoffte, dass es stimmte. »Jawohl, Ma’am.«
Brodie richtete ihren Blick wieder auf den Toten. »Dann haben Sie sicher Besseres zu tun, als mir im Weg zu stehen.«
»Richtig«, gab er zurück. »Ich muss die Witwe des Opfers und die Eltern der entführten Studenten benachrichtigen. Dazu brauche ich vermutlich mindestens eine Stunde.«
Sie seufzte. »Bis zu Ihrer Rückkehr werde ich ihn freigelegt haben.«
»Danke.« Er wandte sich um und sah Deacon in der Mitte der Gasse am Boden hocken. »Was gefunden?«
»Blut«, sagte Deacon. Er leuchtete mit der Taschenlampe auf das Pflaster. »Und etwas, das wie Haar aussieht. Welche Haarfarbe hat Ford?«
»Blond.« Wie Daphne.
»Könnte von ihm sein. Sieht aus, als hätte jemand seinen Schädel auf den Boden gerammt.« Er erhob sich. »Wie ist der Plan, Chef?«
»Wir setzen am Millhouse-Fall an. Die Verbindung ist die augenscheinlichste, und die Leute stehen im Verdacht, Montgomery bedroht zu haben. Ich versuche, einen Richterbeschluss für das Haus und das Geschäft der Millhouses zu bekommen, aber ich bin nicht sicher, ob das reicht.«
»Vor allem, wenn wir die Drohungen nicht beweisen können. Hat Montgomery etwas aufgezeichnet?«
»Keine Ahnung, aber Maynard sollte das wissen. Außerdem müssen wir Ford Elkharts Leben unter die Lupe nehmen, nur für den Fall, dass diese Sache hier nichts mit der Verhandlung zu tun hat.«
»Gibt es irgendeinen Hinweis darauf, dass der Junge Dreck am Stecken hat?«
»Eher nicht, aber wir können die Möglichkeit nicht ausschließen, dass jemand eine offene Rechnung begleichen wollte. Mit ihm oder dem Mädchen. Oder auch mit Maynard.«
Deacon zog die Stirn in Falten. »Du hast gesagt, er war es nicht.«
»Davon gehe ich aus. Das schließt aber nicht aus,
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