Todeskleid: Thriller (German Edition)
wiederholte sie laut, so dass Paige mitschreiben konnte. »Ich werde ihr ihren Willen lassen. Vielleicht sagt sie ja sogar etwas, das sich gegen Rex verwenden lässt. Wann und wo?«
»Heute Vormittag um elf Uhr in ihrem Büro in der Stadt. Ich schicke dir die Adresse per SMS.«
»Lass ruhig, ich weiß, wo das ist. Hast du heute schon Anderson gesehen?«
»Leider ja«, brummte sie. »Ordnen Sie das ein, suchen Sie mir dies raus, schlagen Sie dem einen Deal vor. Unter anderem geht es um einen Serienvergewaltiger. So was macht mich krank. Ich weiß ja, dass wir Kosten vermeiden müssen, aber man könnte meinen, ich würde von Andersons Privatkonto abbuchen.«
Andersons Privatkonto. Paige hatte ihm angeboten, die Finanzen des Mannes zu überprüfen, um herauszufinden, ob er vielleicht bezahlt worden war, damit er im Muñoz-Fall wegsah. Gestern hatte Grayson abgelehnt. Jetzt war er versucht, ihr das Okay zu geben.
Schon komisch, wie stark moralische Grundsätze durch einen Anschlag auf das eigene Leben beeinflusst wurden.
Doch vielleicht gab es noch eine legale Möglichkeit, zumal er nun wusste, dass Anderson in mindestens einen weiteren Fall von Manipulation verwickelt war: Die Klage gegen Cherri Dandridge war fallengelassen worden. Ein solches Vorkommnis konnte Zufall sein. Zwei kaum. Kämen noch weitere hinzu, würden bei den Behörden sämtliche Alarmsirenen losschrillen.
Und dann kriege ich eine richterliche Verfügung. »Daphne, ich muss eine Suche starten.«
»Ich mache das für dich.«
»Nein, das könnte ungewollte Aufmerksamkeit auf dich ziehen. Zu gefährlich. Ich brauche unbedingt meine Autorisierung zurück.«
»Ich bin mir nicht sicher, ob ich das hinkriege. Aber wie wär’s, wenn du dich über einen anderen Account einloggst?«
Er zog die Brauen hoch. »Und über wessen?«
»Andersons.«
Grayson grinste breit. »Daphne, du kriegst eine Jahresration Haarspray von mir.«
Sie lachte. »Warte auf meine SMS. Ich schicke dir, was du brauchst. Und denk an das Haarspray! Extra Volumen. Extrastarker Halt. Superkleber.«
Er legte lächelnd auf.
»Das solltest du wirklich öfter tun«, sagte Paige ganz leise. »Lächeln.«
»Könnte klappen.« Er nahm ihre Hand und führte sie an seine Lippen. »Ich habe dir noch gar nicht für letzte Nacht gedankt.«
»Für welchen Teil insbesondere?«, fragte sie mit kehliger Stimme, und der größte Teil des Bluts aus seinem Kopf rauschte gen Süden.
»Für alle«, antwortete er. »Und ganz besonders dafür, dass dich die Sache mit meinem Vater nicht schockiert hat.«
»Man kann nichts für seine Eltern«, sagte sie. »Ich weiß noch nicht einmal, wer mein Vater ist.«
»Das würde ich mir auch wünschen.«
»Was ist eigentlich aus deinem Vater geworden? Wenn ich das fragen darf?«
Er zuckte die Achseln. »Er wurde zum Tode verurteilt.«
»Oh. Hat er … hat man … Lebt er noch?«
»Nein. Obwohl das Urteil nicht mehr vollstreckt werden konnte. Er ist vor fünfzehn Jahren an Krebs gestorben. Es ging schnell. Und war eine ziemliche Erleichterung.«
»Das verstehe ich.«
»Was ist mit deiner Mutter?«, fragte er. »Lebt sie noch?«
»Keine Ahnung. Es interessiert mich auch nicht.«
»Doch, tut es doch«, sagte er leise. »Und wenn auch nur, um dir zu wünschen, sie wäre anders gewesen.«
»Ja, du hast recht, manchmal denke ich so«, gab sie zu. »Aber meine Großeltern haben mich geliebt. Und du hattest deine Mutter und die Carters. Wir zwei können uns im Grunde genommen nicht beschweren.«
»Sie fehlen dir sicher, deine Großeltern.«
»Ja, das tun sie. Aber meine Freunde waren da und haben ihren Platz als Familie eingenommen.«
Er betrachtete sie neugierig. »Ich hatte dich gefragt, warum du hergekommen bist, wenn doch all deine Freunde in Minnesota wohnen. Du hast geantwortet, du wärest dort erstickt. Ich verstehe jetzt, was du meinst, aber warum hierher? Ich meine, ich bin ja froh, dass du hier bist, aber warum ausgerechnet Baltimore?«
»Wegen Clay. Letztes Jahr um Weihnachten herum wusste ich nicht mehr, was ich machen sollte. Ich tat mir selbst leid – von wegen ›Schwarzgurtträgerin gedemütigt am Boden‹ und so weiter.«
»Ist doch verständlich«, sagte er.
»Ja, vielleicht, aber unproduktiv. Ich war rastlos, und … ich hatte Angst. Ich ging nicht mehr ohne Peabody aus. Eines Morgens wachte ich auf, sah mich im Spiegel und mochte gar nicht, wen ich da sah. Also beschloss ich, dass eine Veränderung hermusste, wenigstens ein
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