Todesküsse
Tiefgarage quollen die Fahrzeuge. Abgasfahnen wehten über die Mauern. Der Gestank breitete sich auch vor dem Hinterausgang aus.
Wann endlich kam sie?
Es war schon fast eine halbe Stunde vergangen seit dem Feierabend-Termin. Ich wollte ihr noch einige Minuten geben und dann verschwinden. Gleichzeitig suchte ich nach Ausreden. Möglicherweise mußte sie noch zusammenpacken, den Stand wegfahren, abrechnen und so weiter. Das nahm Zeit in Anspruch.
Ich hatte trotzdem Glück. Es waren genau 37 Minuten vergangen, als sie erschien.
Durch die Glasscheibe erkannte ich sie schon vorher. Sie swingte die Treppe hinab, schäkerte noch mit den beiden Portiers und trat durch die sich öffnende Tür.
Modisch chic war sie gekleidet. Der helle Sommermantel besaß genau die richtige Länge. Er war nicht geschlossen. Ein Windstoß erfaßte den Stoff und bahnte ihn auseinander.
Rowena de Largos Lippen zeigten eben den Hauch von »Lucky Lips«. Klar, sie mußte für sich selbst auch Reklame machen. Ihre Tasche hatte sie geschultert, blieb hinter dem Ausgang stehen und schaute sich zunächst einmal um, als würde sie etwas suchen.
Mich vielleicht?
Sie kam mir eher vor wie jemand, der auf dem Laufsteg steht und gern bewundert werden möchte. Dann schritt sie locker der Rampe entgegen, die in die Tiefgarage führte.
Ich ließ sie erst einmal so weit vorgehen, bis sie fast den Eingang erreicht hatte. Dann lief ich hinterher, hoffte dabei, daß sie sich nicht umdrehte, als laufende Person hob ich mich in der Helligkeit ab. In der Garage stand es widerlich. Die Abgase flössen noch wie dünne Nebelstreifen über den Boden. An einigen Stellen warfen die kahlen Wände das Geräusch eines startenden Motor zurück. Reifen radierten über den blanken Untergrund, Scheinwerferaugen strahlten über Wände, Pfeiler und die Karosserien der parkenden Fahrzeuge. Die Garage war ziemlich geräumig.
Da konnten sich schon Gruppen von Menschen verstecken. Deshalb sah ich Rowena de Largo zunächst nicht. Ich konnte mich auch nicht auf Schritte konzentrieren, da die Geräusche der anfahrenden Wagen alles überdeckten.
Es war schwer, in die Fahrzeuge hineinzuschauen, die an mir vorbeirollten. Ich stand neben meinem Rover, sah mir die Autos an und war mir ziemlich sicher, daß sich Rowena de Largo nicht unter den Ausfahrenden befunden hatte. Leider wußte ich auch nicht, welchen Wagen sie fuhr. Ich verließ mich auf mein Auge und auf das Glück, das man bekanntlich auch haben muß.
Als mich ein dunkler Ford passierte, in dem vier Personen saßen passierte es.
Der Wagen hatte das Loch kaum verlassen und war ein Stück die Rampe hochgefahren, als ich das Rasseln hörte, zum Eingang schaute und große Augen bekam, denn ein Gitter fiel von oben nach unten. Und zwar so schnell, daß ich es nicht schaffte, rechtzeitig genug aus der Garage zu kommen. Ich hörte noch, wie es aufschlug und sich bis zur Hälfte zusammenfaltete. Es besaß ein Wabenmuster. Die Lücken waren so klein, daß ich nur meine Hand hindurchstrecken konnte. Mit anderen Worten: Ich saß in der Falle!
***
Das war natürlich nicht schön. Ich gestand mir ein, daß ich Rowena de Largo unterschätzt hatte. Die Frau wußte mehr, als sie zugeben wollte. Sie mußte einen sicheren Instinkt besitzen, möglicherweise hatte sie mich auch entdeckt und deshalb blitzschnell ihren Plan gefaßt. Wohin also?
Zunächst blieb ich im Schlagschatten meines Rover stehen. Es gab sicherlich die Möglichkeit, einen der Fahrstühle zu benutzen. Eine Tiefgarage besaß auch Notausgänge. Große, an die Wand gemalte Pfeile wiesen in die entsprechenden Richtungen.
Zwar bekam ich keine Beklemmungen, doch die Umgebung gefiel mir überhaupt nicht. Es hatten längst nicht alle Wagen die Tiefgarage verlassen, zahlreiche Fahrzeuge standen noch in den abgeteilten Parktaschen. Auf mich wirkten sie wie geduckte Schatten, die jeden Augenblick erwachen und lebendig werden konnten.
Über meinen Rücken lief ein Schauer. Obwohl ich keinen Menschen entdeckte, fühlte ich mich eingekreist und von zahlreichen Augen beobachtet. Allmählich kam ich zu der Überzeugung, daß Rowena de Largo mehr wußte und möglicherweise auch Helfer oder Helferinnen besaß, die die Falle hatten zuschnappen lassen.
Hinter dem Wabenmuster des Gitters erstreckte sich das graue Band der Auffahrt. Eine Straße der Hoffnung, für mich leider unerreichbar. Ich bekam feuchte Hände, die Luft kam mir noch drückender vor. Jeden Moment konnte jemand einen
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