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Todesmarsch

Titel: Todesmarsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Garraty. Und von dort ist es nur noch ein Katzensprung nach Freeport. Plötzlich war er wieder deprimiert. Und danach? Du hast nur zwei Minuten, um sie zu sehen, wenn sie dir nicht in der Menge verlorengeht - was Gott verhüten möge. Und was dann? Klappst du dann zusammen?
    Und dann überkam ihn die Gewißheit, daß Jan und seine Mutter sowieso nicht da sein würden. Er würde sicher nur die Jungen zu sehen kriegen, mit denen er zur Schule gegangen war. Sie würden nur darauf scharf sein, den Selbstmordkandidaten zu sehen, den sie unwissentlich in ihrer Mitte aufgezogen hatten. Und der Damenwohlfahrtsausschuß. Der würde bestimmt da sein. Die Damen hatten noch zwei Abende, bevor der Marsch losgegangen war, einen Tee für ihn veranstaltet. In jener antiken Zeit.
    »Laß uns wieder zurückgehen«, sagte McVries. »Wir lassen uns ganz langsam zurückfallen. Mal sehen, was Baker macht. Wir können zusammen nach Augusta hineinwandern, die ursprünglichen drei Musketiere. Was hältst du davon, Garraty?«
    »In Ordnung«, meinte Garraty.. Es war ein guter Vorschlag.
    Sie ließen sich Stück für Stück zurückfallen, bis sie dem düster vor sich hinblickenden Harold Quince wieder die Führung überlassen konnten. Sie wußten, daß sie wieder bei ihren Freunden angekommen waren, als sie plötzlich Abra-hams heisere Stimme aus der Dämmerung hörten: »Na, habt ihr endlich beschlossen, zurückzukommen und euch wieder unter das gemeine Volk zu mischen?«
    »Mein Gott, er sieht sich wirklich ähnlich!« rief McVries aus und starrte auf Abrahams drei Tage alten Bart und sein müdes, altes Gesicht. »Besonders in dieser Beleuchtung.«
    »Siebenundachtzig Jahre ist es her«, deklamierte Abraham feierlich, und einen unheimlichen Augenblick lang schien es, als ob der Geist eines der Gründungsväter sich in dem Siebzehnjährigen niedergelassen hätte. »Da zogen unsere Väter aus, um diesen Kontinent... Ach, Scheiße, ich hab' den Rest vergessen. Wir mußten das in der achten Klasse auswendig lernen, wenn wir in Geschichte eine Eins haben wollten.«
    »Das Gesicht eines Gründungsvaters und ein Gedächtnis so weit, wie eine fette Sau springt«, sagte McVries traurig. »Abraham, wie bist du bloß in dieses Durcheinander geraten?«
    »Durch reine Prahlerei«, antwortete Abraham prompt. Er wollte die Geschichte gerade erzählen, als die Gewehre ihn unterbrachen. Wieder hörten sie das vertraute Mehlsackplumpsen.
    »DaswarGallant«, sagte Baker zurückblickend. »Er war eigentlich schon den ganzen Tag tot.«
    »Durch Prahlerei«, wiederholte Garraty verwirrt und lachte.
    »Ja.« Abraham hob eine Hand an die Wange und rieb sich den tiefen, dunklen Ring unterm Auge. »Ihr kennt doch alle den Aufsatz, den wir schreiben mußten?«
    Sie nickten. Der Aufsatz mit dem Thema Warum hältst du dich für qualifiziert, an dem Marsch teilzunehmen? gehörte zu den Standardaufgaben des Intelligenztests. Garraty spürte eine Flüssigkeit an seiner rechten Ferse und fragte sich, ob es wohl Blut oder Schweiß oder Eiter oder alle drei zusammen waren. Aber er hatte keine Schmerzen, obwohl die Socke inzwischen durchgescheuert war.
    »Also, das war so«, begann Abraham. »Ich fühlte mich eigentlich für gar nichts besonders qualifiziert. Ich habe die Prüfungen nur aus einer Augenblickslaune heraus gemacht. Ich war auf dem Weg ins Kino und kam zufällig an der Turnhalle vorbei, in der die Tests stattfanden. Du brauchst ja nur deinen Arbeitserlaubnisausweis zu zeigen, und schon lassen sie dich hinein. Und rein zufällig hatte ich meinen Ausweis an diesem Tag gerade bei mir. Wenn ich ihn nicht dabei gehabt hätte, hätte ich mir bestimmt nicht die Mühe gemacht, nach Hause zu gehen und ihn zu holen. Ich wäre einfach ins Kino gegangen und jetzt nicht hier, um in so fröhlicher Gesellschaft zu sterben.«
    Sie dachten schweigend über die letzte Bemerkung nach.
    »Ich habe meinen Körper untersuchen lassen und die Sachfragen schnell hinter mich gebracht, und auf einmal sehe ich drei leere Seiten vor mir und darüber die Aufschrift: >Bitte beantworten Sie diese Frage so objektiv und aufrichtig wie möglich. Gebrauchen Sie dafür nicht mehr als 1500 Wörter. Ach, du heiliger Strohsack, habe ich mir gedacht. Bis jetzt war das Ganze ja mehr ein Spaß, auch wenn die Fragen ziemlich bescheuert waren.«
    »Ja, zum Beispiel, wie oft haben Sie Stuhlgang?« unterbrach Baker ihn trocken. »Oder haben Sie je Kokain geschnupft?«
    »Genau so'n Zeug. Das mit dem Schnupfen

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