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Todesmarsch

Titel: Todesmarsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Feldflasche.
    McVries schüttelte abrupt den Kopf wie ein Hund, der aus einem Katzenjagdtraum geweckt worden war, und sah sich mit trüben Augen um. »Mein Gott, Tageslicht. Tageslicht, Garraty! Wie spät ist es?«
    Garraty sah auf seine Uhr und stellte erstaunt fest, daß es schon drei Viertel fünf war. Er zeigte McVries das Zifferblatt.
    »Wie viele Meilen? Hast du eine Ahnung?«
    »Um die achtzig, nehme ich an. Und sechsundzwanzig sind ausgeschieden. Wir haben ein Viertel des Heimweges geschafft, Pete!«
    »Ja.« McVries lächelte. »Das ist richtig, nicht wahr?«
    »Verdammt richtig.«
    »Fühlst du dich jetzt besser?« fragte Garraty nach einer Weile.
    »Tausend Prozent.«
    »Ich auch. Das liegt wohl am Licht.«
    »Mein Gott! Ich glaube, wir werden heute eine Menge Leute zu sehen kriegen. Hast du den Artikel in World's Week über uns gelesen?«
    »Überflogen«, antwortete Garraty. »Hauptsächlich, um meinen Namen einmal gedruckt zu sehen.«
    »Da stand, daß jedes Jahr über zwei Billionen Dollar auf die Geher gewettet werden. Zwei Billionen!«
    Baker war ebenfalls aufgewacht und trottete zu ihnen herüber. »In der Highschool hatten wir unseren eigenen Wetttopf«, erzählte er. »Jeder mußte einen Vierteldollar hineinwerfen, und dann zogen wir alle eine dreistellige Zahl aus einem Hut. Derjenige, dessen Zahl der letzten Meile des Marsches am nächsten war, hat den ganzen Topf gewonnen.«
    »He, Olson!« rief McVries munter. »Denk doch bloß mal an das ganze Geld, das man auf dich gewettet hat, mein Junge! Denk an all die Leute, deren Hoffnungen auf deinem mageren Arsch ruhen!«
    Olson meinte mit seiner erschöpften, ausgelaugten Stimme, daß all die Leute, deren Hoffnungen auf seinem mageren Arsch ruhten, von ihm aus zwei unanständige Handlungen an sich vollführen könnten, wobei die zweite direkt aus der ersten hervorginge. McVries, Baker und Garraty lachten.
    »Heute wird eine Menge hübscher Mädchen am Straßenrand stehen«, sagte Baker und blinzelte Garraty spitzbübisch zu.
    »Das hab' ich schon alles hinter mir«, erwiderte Garraty. »Ich hab' ein Mädchen, das da vorn auf mich wartet. Von jetzt an werde ich ein braver Junge sein.«
    »Ohne Sünde in Gedanken, Worten und Werken«, deklamierte McVries salbungsvoll.
    Garraty zuckte die Achseln. »Das kannst du sehen, wie du willst.«
    »Die Chancen stehen hundert zu eins gegen dich, daß du kaum Gelegenheit haben wirst, mehr zu tun als ihnen zuzuwinken«, sagte McVries freimütig.
    »Dreiundsiebzig zu eins im Moment.«
    »Immer noch ziemlich hoch.«
    Aber Garratys gute Laune war nicht zu erschüttern. »Ich habe das Gefühl, als könnte ich noch eine Ewigkeit gehen«, sagte er fröhlich. Die anderen verzogen die Gesichter.
    Sie kamen an einer durchgehend geöffneten Tankstelle vorbei, und der Tankwart trat heraus, um ihnen zu winken. Fast alle winkten zurück. Der Tankwart munterte besonders Wayne, Nummer 94, auf.
    »Garraty«, sagte McVries ruhig.
    »Was ist?«
    »Ich hab' nicht alle mitgekriegt, die es erwischt hat. Du vielleicht?«
    »Nein.«
    »Barkovitch?«
    »Nein, der ist da vorn. Direkt vor Scramm, siehst du ihn?«
    McVries blickte hoch. »Oh, ja, ich glaube, ich sehe ihn.«
    »Und Stebbins ist immer noch da hinten.«
    »Überrascht mich nicht. Komischer Kerl, nicht wahr?«
    »Ja«
    Einen Augenblick blieben sie still. McVries seufzte tief, nahm seinen Rucksack vom Rücken und holte ein paar Makronen heraus. Er bot sie Garraty an, der sich eine nahm. »Ich wünschte, es war' schon vorbei«, sagte McVries. »Egal, ob es nun so oder so ausgeht.«
    Sie aßen ihre Makronen schweigend.
    »Wir müßten jetzt auf halbem Weg nach Oldtown sein, was meinst du?« fragte McVries. »Achtzig Meilen geschafft und achtzig noch vor uns?«
    »So ungefähr«, antwortete Garraty.
    »Dann werden wir nicht vor heute nacht dort sein.«
    Bei dem Wort Nacht bekam Garraty eine Gänsehaut. »Nein«, sagte er leise, und dann fragte er ganz unvermittelt: »Wo hast du eigentlich die Narbe her, Pete?«
    McVries' Hand wanderte unbewußt an die Wange und streichelte die Narbe. »Das ist eine lange Geschichte«, antwortete er kurzangebunden.
    Garraty musterte ihn genauer. Seine Haare waren zerzaust und vor Staub und Schweiß verklebt. Seine Kleider hingen schlaff und faltig an ihm herunter, und sein Gesicht war sehr blaß. Die Augen waren gerötet und lagen tief in ihren Höhlen, die von dunklen Ringen umgeben waren.
    »Du siehst beschissen aus«, sagte er und brach in Lachen

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