Todesmarsch
er steht so nahe - so nahe bei ihnen... Er wird hoch in die Luft fliegen wie Freaky D'Allessio.
McVries rannte wieder los, holte den Panzerwagen ein und spuckte verächtlich an seine Seite. Die Spucke zog eine saubere Spur auf dem staubigen Metall.
»Na los doch!« brüllte er weiter. »Kommt endlich herunter! Jedesmal einer oder alle auf einmal, das ist mir scheißegal!«
»Warnung! Dritte Warnung für 61! Ihre letzte Warnung!«
»Ich scheiß' auf eure Warnungen!«
Plötzlich, ohne zu wissen, was er tat, drehte Garraty sich um und rannte zurück, wofür er selbst seine zweite Warnung erhielt, aber das bekam er nur halbwegs mit. Die Soldaten zielten jetzt auf McVries, und Garraty faßte ihn am Arm: »Komm mit!«
»Hau ab, Ray! Ich werde mit ihnen kämpfen!«
Garraty streckte beide Hände aus und gab ihm einen kräftigen Schubs. »Du wirst gleich erschossen, du Arschloch!«
Stebbins ging an ihnen vorbei.
McVries sah Garraty an und schien ihn erst jetzt zu erkennen. Eine Sekunde später bekam Garraty seine dritte Warnung, und er dachte gehetzt, daß Pete nur noch Sekunden von seinem Tod entfernt sein konnte.
»Fahrt zur Hölle!« stieß McVries mit bösartigem Unterton hervor, und fing endlich wieder an zu gehen.
Garraty folgte ihm. »Ich dachte nur, daß es dich gleich erwischen würde«, sagte er kleinlaut. »Das war alles.«
»Aber es hat mich nicht erwischt«, erwiderte McVries mürrisch. »Dank diesem Musketier hier.« Seine Hand fuhr zur Narbe. »Scheiße, wir kommen alle mal dran!«
»Einer wird gewinnen. Es könnte einer von uns sein.«
»Das ist doch Schwindel«, rief McVries mit bebender Stimme. »Es gibt keinen Sieger und auch keinen Preis! Sie werden den letzten von uns hinter irgendeinen Busch ziehen und auch ihn erschießen.«
»Sei doch nicht so verdammt blöd!« schrie Garraty aufgebracht. »Du hast nicht die geringste Ahnung, was du da quas-«
»Jeder verliert«, unterbrach McVries ihn barsch. Seine Augen lauerten in ihren tiefen Höhlen wie bösartige Tiere. Die beiden gingen jetzt ganz allein. Die anderen Geher hielten zunächst einmal auf Abstand. McVries hatte die rote Karte gezeigt bekommen, und in gewisser Weise war Garraty dasselbe passiert - indem er zu Peter zurückgerannt war, hatte er gegen.sein ureigenstes Interesse gehandelt. Mit größter Wahrscheinlichkeit hatte er ihn davor bewahrt, die glorreiche Nummer 28 zu werden.
»Jeder verliert«, wiederholte McVries trotzig. »Das kannst du mir glauben.«
Sie überquerten eine Bahnlinie. Sie gingen unter einer Brücke hindurch. Hinter der Brücke stand eine verbarrika-dierte Eisdiele mit einem großen Schild: WIR ÖFFNEN WIEDER AM 5. JUNI.
Olson erhielt eine Verwarnung.
Garraty spürte, daß ihm jemand auf die Schulter tippte, und er drehte sich um. Es war Stebbins. Er sah nicht besser oder schlechter aus als am Abend vorher. »Dein Freund da ist ganz schön sauer auf den Major, was?«
McVries gab nicht zu erkennen, ob er ihn gehört hatte.
»Scheint so«, antwortete Garraty. »Aber ich bin selbst über den Punkt hinaus, wo ich ihn gern zu mir zum Tee einladen würde.«
»Sieh dich mal um.«
Garraty blickte zurück. Ein zweites Panzerfahrzeug war hinter ihnen auf die Straße gefahren, und noch während er zurücksah, rollte ein drittes aus einem Nebenweg.
»Der Major kommt«, verkündete Stebbins, »und alle werden ihm zujubeln.« Er lächelte, und sein Gesicht hatte plötzlich etwas Eidechsenartiges. »Sie hassen ihn noch nicht wirklich. Noch nicht. Sie glauben nur, es zu tun. Sie glauben, sie hätten heute nacht die Hölle durchgemacht. Aber warte mal bis heute nacht. Warte bis morgen.«
Garraty blickte Stebbins beklommen an. »Und wenn sie ihn nun doch ausbuhen und pfeifen und ihre Feldflaschen nach ihm werfen?«
»Wirst du buhen und pfeifen und deine Feldflasche nach ihm werfen?«
»Nein.«
»Die anderen werden es auch nicht tun, du wirst es erleben.«
»Stebbins?«
Stebbins zog eine Augenbraue hoch.
»Du glaubst, daß du gewinnen wirst, nicht wahr?«
»Ja«, antwortete Stebbins ruhig. »Ich bin mir ziemlich sicher.« Damit ließ er sich wieder nach hinten auf seinen gewohnten Platz zurückfallen.
Um fünfundzwanzig Minuten nach fünf wurde Yannick erschossen. Punkt halb sechs, genau wie Stebbins es vorausgesagt hatte, kam der Major.
Zuerst hörten sie ein anschwellendes Jaulen, als der Jeep hinter ihnen über eine Hügelkuppe schoß, dann donnerte er auf dem Seitenstreifen an ihnen vorbei. Der Major stand
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