Todesmut - Gardiner, M: Todesmut - N.N. (Jo Beckett 4)
dachte, entweder er oder ich. Vorsicht ist besser als Nachsicht.« Autumns Stimme klang, als hätte sie einen feinen, aber bleibenden Riss abbekommen. Sie drehte sich und spähte nach hinten. In der Dunkelheit war nichts zu sehen. »Wo ist er?«
»Unterwegs.«
Mit einem Schenkeldruck trieb Jo das Pferd an. Faithful wechselte vom Schritt in den Trab.
»Ich wollte dich wirklich nicht treffen mit dem Stein. Es … Ich hab gelernt …«
»Was hast du gelernt?«
»Nie zu zögern. Mich zu schützen.«
»Durch Angriff?«
»Jeder ist sich selbst der Nächste. Die Welt ist schlecht und so. Das hat mir Dad immer eingepaukt. Du weißt schon, auf der Straße nie ausweichen, wenn plötzlich ein Tier auftaucht. Weil man sonst einen Unfall bauen und sterben könnte.«
»Das hat mir mein Dad auch beigebracht, als ich Fahren lernte. Aber das heißt noch lange nicht, dass man Leuten mit einem Stein den Schädel einschlägt.«
Autumn wirkte so angespannt wie ein Tuch in einer Mangel. »Dad hat es absolut ernst gemeint. Hundert Prozent. Als wäre die Welt eine Straße, wo einen alles zum Ausweichen bringen will. Es ist ihr nicht nur egal, ob du lebst, sondern sie reißt das Leben förmlich an sich. Man muss die Chancen ergreifen, wo sie sich bieten, ohne Reue und Bedenken.«
Jo wartete, bis der Wind die Worte verweht hatte. »Harte Einstellung.«
»Das hat er mir eingehämmert. Selbstschutz. Und manchmal erfordert Selbstschutz proaktives Handeln.«
Das Wort proaktiv war Jo an sich schon verhasst. Jetzt hatte sie noch einen weiteren Grund dafür. »Vorbeugender Krieg. Wenn du was siehst, nimm’s dir. Ziemlich krasse Weltanschauung.«
»Nutze den Tag. Ohne Zögern und Furcht.« Autumn wurde still. »Na schön, ich hab mich getäuscht.«
Jo duckte sich, als der Wind einen Ast nach unten peitschte. »Ist das eine Entschuldigung?«
»Dad hat auch gesagt, dass man sich nie entschuldigen soll. Es ist ein Zeichen von Schwäche.«
»Ich entschuldige mich auch nicht gern. Es geht einem einfach gegen den Strich.« Jos Ton ließ Autumn genügend Raum, um ein Aber zu hören.
»Es war Panik. Passiert bestimmt nicht wieder. Alles in Ordnung?«
Eine Entschuldigung also. Zumindest eine Art.
Jo gab sich damit zufrieden. »Ja, alles in Ordnung. Und du bist auch in Ordnung, auch wenn du einem ganz schön auf den Wecker gehen kannst.«
»Ich hab das Gefühl, meine Nerven stehen in Flammen.« Autumns Stimme stockte. »Inzwischen muss Dads Maschine gelandet sein. Meinst du, er weiß schon, was passiert ist?«
»Vielleicht.«
Sie ritten weiter. Jo überlegte krampfhaft, wie sie das Thema anschneiden sollte, über das sie unbedingt mit Autumn reden musste. Ohne sie in Panik zu versetzen. Das Mädchen war nur einen Funken entfernt von einer Explosion.
»Erzähl mir vom Bösen Cowboy.«
Autumn erstarrte. »Warum interessiert dich das?«
Es , nicht er.
»Das Wochenende sollte dir Gelegenheit geben, ihn zu überwinden. Edge Adventures und dein Dad haben dafür gesorgt, dass du die Mittel dazu hast.« Jo sprach in der Vergangenheit, um die Unterhaltung in die Ferne zu rücken. Sie wollte ihn nicht in die Gegenwart holen und Autumn damit Angst einjagen. Noch nicht. »Es wurde in den Ablauf des Rollenspiels eingebaut. Das könnte von Bedeutung sein.«
Autumn zog die Schultern hoch. Wie kleine Stummelflügel zeichneten sich ihre Schulterblätter unter dem dünnen Pullover ab. Jo konnte förmlich spüren, wie in ihr gegensätzliche Wünsche miteinander rangen: weinen, schreien, alles unterdrücken. Und dabei ging es nicht um die oberste Schicht der Angelegenheit. Sondern um den Schutt. Den Müll, den sie schon vor Jahren in ihrem Keller vergraben hatte.
»Dad hat mir nie geglaubt, dass der Typ böse war.«
»Ist dein Dad diesem Mann je begegnet?«
»Er sagt, er kann sich nicht an ihn erinnern. Aber ich bin mir sicher, dass das nicht stimmt.«
Beruhigend hielt Jo die Arme um Autumns Rippen geschlungen, während Faithful durch die Bäume trabte. »Das Ganze ist bei einer Geburtstagsparty passiert?«
»Nein, das war so eine Riesenveranstaltung bei jemand anders. Vierter Juli, Wochenende. Cocktails und Krocket auf einem riesigen Rasen. Die Kinder durften Pony reiten. Keith Urban hat für die Erwachsenen ein Privatkonzert gegeben.«
Bei Autumns Partys zum Vierten Juli war es offenbar deutlich spektakulärer zugegangen als bei Jo. Als sie klein war, fuhr ihre Familie zur Bodega Bay und schmuggelte jedes Mal ein paar Wunderkerzen ein. Jo, Tina
Weitere Kostenlose Bücher