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Todesnacht - Booth, S: Todesnacht - Scared to Live

Titel: Todesnacht - Booth, S: Todesnacht - Scared to Live Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Booth
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wieder menschlich machte. Seine Augen waren hellblau. Vermutlich war er in der Lage, am Bett von Patienten eine beruhigende Art an den Tag zu legen, wenn er es für nötig hielt.
    »Ein verblüffender Aspekt von Psychosen ist der, dass die betroffene Person die merkwürdige oder bizarre Natur ihrer eigenen Erlebnisse in der Regel nicht erkennt. Selbst im Fall einer akuten Psychose ist sich der Patient unter Umständen
nicht darüber im Klaren, dass seine Halluzinationen und Wahnvorstellungen in jeder Hinsicht unrealistisch sind.«
    »Ja, ich verstehe.«
    »Allerdings variiert der Grad des Einblicks von Fall zu Fall. In manchen Situationen ist der Einblick möglicherweise ziemlich gut, was das psychotische Erlebnis natürlich noch erschreckender macht. Es bedeutet, dass der Betroffene genau weiß, was vor sich geht. Mit anderen Worten, er weiß, dass er keine Dämonen oder Engel sehen und keine Stimmen hören sollte – aber er sieht und hört sie trotzdem. Er kann nichts dagegen tun. Versuchen Sie einmal, sich vorzustellen, Sie hätten Ihren eigenen Verstand nicht unter Kontrolle. Sie müssten akzeptieren, dass einige Ihrer alltäglichen Wahrnehmungen echt sind, während es sich bei anderen um eine Illusion handelt.«
    »Es ist schwierig, sich in diese Lage hineinzuversetzen.«
    »Selbstverständlich ist es das. Glauben Sie mir, wenn sich ein Patient darüber im Klaren ist, dass er die Kontrolle über seine Gedanken verliert, erschüttert das seinen Glauben an sich selbst und kann extrem destruktive Auswirkungen auf sein Verhältnis gegenüber seiner Umwelt haben. So etwas untergräbt die Identität, wissen Sie. Ich kann mir nichts Niederschmetternderes oder Erschreckenderes vorstellen.«
    Sinclair setzte seine Brille wieder auf, schielte seinen Besucher an und beurteilte dessen Reaktion. Cooper war überrascht, dass er plötzlich von seinem Skript oder vielmehr von den Aufzeichnungen in seiner Akte abgewichen war. Ein paar Sekunden lang hatte er mit echter Überzeugung gesprochen. Cooper wurde bewusst, dass Alexander Sinclair dies bei Menschen beobachtet haben musste, die er gut kannte – nicht nur bei Patienten, sondern auch bei Freunden und Verwandten. Vielleicht hatte er deshalb eingewilligt, trotz seiner Verschwiegenheitsverpflichtung mit ihm zu sprechen.
    »Können Sie mir sagen, worin John Lowthers auditorische
und visuelle Halluzinationen bestanden? Ist es überhaupt möglich, das zu beschreiben?«
    »Generell ja. Er hörte Stimmen, die sein Verhalten kommentierten und ihm befahlen, bestimmte Dinge zu tun. Aus diesem Grund hat er sich selbst einweisen lassen. Er hatte Angst vor dem, wozu die Stimmen ihn veranlassen könnten, und er wollte, dass wir sie zum Schweigen bringen.«
    »Und ist Ihnen das gelungen?«
    Sinclair lächelte. »Psychose ist nur ein Symptom von Geisteskrankheit, Detective Constable. Die anschließende Diagnose lautete auf bipolare Störung. Mr. Lowther wurde mit Antipsychotika behandelt, bis die Schübe zurückgingen, und dann haben wir seine medikamentöse Behandlung angepasst, bis sein Zustand stabil genug war, dass er entlassen werden konnte.«
    »Dann haben die Medikamente also die Stimmen vertrieben?«
    »Na ja...«
    Cooper beobachtete, wie Sinclair zögerte.
    »Aber nur so lange, wie er die Tabletten genommen hat?«, fragte er.
    »Selbstverständlich. Antipsychotika beeinflussen die Aktivität chemischer Stoffe, die Botschaften an das Gehirn übermitteln. Es ist sehr wichtig, dass man die Medikamente regelmäßig und in der verschriebenen Dosierung einnimmt.«
    »Wann wurde John Lowther aus der Station entlassen?«
    »Im April. Zu diesem Zeitpunkt war er in guter seelischer Verfassung. Er hat gesagt, dass er allen erzählen würde, er wäre im Urlaub gewesen. An irgendeinem netten Ort, wie zum Beispiel in der Karibik. Allerdings hätte es nicht die Karibik sein können, da er keine Sonnenbräune hatte. Ich könnte mir denken, dass seine Familie auch niemandem die Wahrheit gesagt hat. Das ist völlig normal. Geisteskrankheit ist leider noch immer mit einem starken Stigma behaftet.«

    »Ich nehme an, er musste längere Zeit Antipsychotika einnehmen?«
    »Ja. Aber seiner Krankenakte ist zu entnehmen, dass er Angst vor den Nebenwirkungen hatte. Mr. Lowther beklagte sich darüber, dass er zunahm. Und er hatte häufig Zuckungen, unter denen er sehr litt. Außerdem behauptete er, die Medikamente würden ihn impotent machen.«
    »Als wir ihn letzte Woche sahen, war er sehr

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