Todesnacht - Booth, S: Todesnacht - Scared to Live
hereinwehte. Cooper spürte die Kälte, die durch die Türöffnung drang, und wusste, dass es sich um den Durchgang handeln musste, der nach draußen zum Kanal und zum Fluss führte.
Er schlüpfte durch die Tür und betrat einen hölzernen Übergang, der über den Wasserkanal führte. Dieser Bereich befand sich unter freiem Himmel. Er hörte das Rauschen des Flusses und spürte die Leere, die ihn in der Dunkelheit umgab. Das Wasser, das einst die Wasserräder der Spinnerei angetrieben hatte, versorgte heute die Turbinen. Er hörte sein Tosen und spürte die Vibrationen der Strömung, die schnell unter dem Übergang hindurchfloss.
Doch hinter dem Geländer am Ende des Übergangs befand sich ein Becken mit stehendem Wasser. Im Licht seiner Taschenlampe erkannte er die Eisenketten uralter Flaschenzüge, die mit Staub und Spinnweben bedeckt waren. Die Ketten hingen ins trübe Wasser und reichten bis zu rätselhaften Gebilden aus Metall hinab, die man in der Tiefe kaum erkennen konnte und deren einstiger Zweck längst vergessen war. Cooper schauderte, als er abgestorbene Vegetation auf der Wasseroberfläche
treiben sah. In diesem Becken wäre vermutlich selbst ein Erwachsener in Schwierigkeiten geraten. Man hätte sich leicht in den Ketten verfangen und in die Tiefe gezogen werden können.
Der Lichtstrahl seiner Taschenlampe fiel auf ein Warnschild. Aber warnte es vor der starken Strömung im Kanal oder vor dem ruhigen, dunklen Becken mit seinen Schatten unter der Wasseroberfläche?
Cooper drehte sich ruckartig nach links, obwohl er sich nicht sicher war, worauf er reagierte. Die Umstellung vom stillen Inneren der Spinnerei auf den Lärm im Freien hatte seine Sinne verwirrt. Eine Reihe von Detonationen erinnerte ihn daran, dass das Feuerwerk über der Ortschaft noch nicht zu Ende war. Der farbige Funkenregen half ihm dabei, sich zu orientieren. Hinter dem Kanal konnte er das Flussufer ausmachen, und unmittelbar vor ihm befanden sich mehrere glitschige Betonrinnen und abrupte Stufen, die ins schwarze tödliche Wasser führten.
Im Freien fühlte sich Cooper auch nicht sicherer, als er sich in der Spinnerei gefühlt hatte. Da er Fry wissen lassen musste, wo er sich aufhielt, griff er noch einmal zu seinem Handy. Doch jetzt befand er sich unten am Fluss, mit der riesigen Spinnerei im Rücken, und links und rechts von ihm ragten Kalksteinwände empor. Er hob das Handy auf Kopfhöhe und hielt es in eine andere Richtung. Kein Empfang.
Nachts klang das Getöse des Wehrs wesentlich lauter. Jetzt, wo er sich ganz in der Nähe befand, übertönte es sogar fast das Knallen und Zischen der Feuerwerkskörper, die vom High Tor abgeschossen wurden. Cooper lauschte angestrengt auf Bewegungsgeräusche neben dem Rauschen des Wehrs und dem Summen der Turbinen in der Spinnerei, doch das Einzige, was er hören konnte, war ein leises Klopfen am Rand des Kanals, wo ein Styroporbecher auf der Wasseroberfläche schaukelte. Tap-tap-tap gegen die Betonwand.
Er glaubte, irgendwo eine Frau schreien zu hören. Doch die Worte waren unverständlich. Er war sich fast sicher, einen Schatten huschen zu sehen und das Rascheln eines langen Rockes auf Beton zu erkennen.
Dann wurde aus dem Klopfen ein Klappern, das plötzliche Geräusch schneller Schritte. Cooper schwenkte seine Taschenlampe, doch er konnte nicht beurteilen, aus welcher Richtung die Schritte kamen. Die Blitze und das Krachen des Feuerwerks waren zu verwirrend, und der Lichtstrahl seiner Maglite, der vom dunklen Wasser reflektiert wurde, brachte ihn zu sehr durcheinander.
Deshalb fuhr er zu spät herum und sah weder die schwarze Gestalt, die aus der Dunkelheit auf ihn zukam, noch die Fäuste, die ihn trafen und aus dem Gleichgewicht brachten. Er taumelte einen Augenblick lang auf der betonierten Kante und atmete ein, um einen Schrei auszustoßen. Seine Taschenlampe fiel ihm aus der Hand und landete mit einem lauten Platschen im Kanal. Eine Sekunde später stürzte Cooper ihr hinterher. Er tauchte ins Wasser ein und folgte dem Licht, das schlingernd und trudelnd in den schlammigen Tiefen versank.
Die Taschenlampe schien lange Zeit zu sinken, wobei ihr Strahl durchs Wasser schwenkte und Cooper blendete. Der Schock und das Tosen des Wassers in seinen Ohren veranlassten ihn, die Augen zu schließen. Als ihm klar wurde, dass er nicht mehr wusste, wo oben war, begann er, zu strampeln und mit den Armen um sich zu schlagen. Dann stieß er gegen irgendetwas, oder irgendetwas stieß gegen ihn
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