Todesnacht - Booth, S: Todesnacht - Scared to Live
Schüsse von Foxlow setzten die Kriminaltechniker stark unter Druck.
Eine der Komplikationen lag auf der Hand. Im Grunde genommen galt es, vier verschiedene Verbrechensschauplätze zu untersuchen. Zunächst einmal Rose Shepherds Schlafzimmer und die anderen Räume im Haus. Von dieser Suche versprach man sich Erkenntnisse über das Leben des Opfers, die zu ihrem Mörder führen oder zumindest auf ein Motiv für ihre Ermordung hindeuten würden. Falls der Täter das Haus der Toten allerdings, wie vermutet, gar nicht betreten, geschweige denn, ihr unmittelbar gegenübergetreten war, würden dort keine Spuren von ihm zu finden sein – keine DNA, keine Fingerabdrücke, keine Stofffasern, keine anderen Beweise irgendwelcher Art.
Dann gab es noch das Feld, das zumindest ein paar Reifenspuren geliefert hatte. Wie deutlich diese waren, hing davon ab, wie weich der Boden war, ob es vor der Tat geregnet hatte und wie das Wetter seither gewesen war. Cooper sah auf die Uhr und stellte sich vor, wie Detective Chief Inspector Kessen dasselbe tat und dabei verfluchte, dass die Leiche mit so großer zeitlicher Verzögerung gefunden worden war. Ansonsten würde auf dem Feld natürlich nicht viel zu finden sein. Wenn es keine Patronenhülsen und keine Fußabdrücke gab, würde es auch keine fallengelassenen Streichhölzer oder Zigarettenstummel geben. Doch der Täter war mit seinem Fahrzeug nah am Rand des Feldes gefahren. Eine winzige Lackspur an einem Zweig der Weißdornhecke vielleicht? Eine Stoßstangenschleifspur an der Ecke einer Steinmauer? Aber auf einem zwanzig Hektar großen Feld? Bei einer dunklen Lackierung? Der Gedanke an Nadeln und Heuhaufen drängte sich auf.
Der ergiebigste Schauplatz wäre vermutlich der dritte: das
Fahrzeug des Täters. Vorausgesetzt natürlich, es wurde überhaupt jemals gefunden. Darin mussten sich Stofffasern auf den Sitzen, Fingerabdrücke an den Türgriffen und Schweißflecken auf dem Schalthebel befinden.
Cooper drehte sich um, als er im Garten ein Geräusch hörte. Ein Grauhörnchen lief über den Rasen und raschelte zwischen den abgestorbenen Blättern auf den Blumenbeeten. Es vergrub Nüsse, bevor es Zeit für den Winterschlaf wurde. Am gegenüberliegenden Ende des Gartens stieß ein anderes Grauhörnchen den seltsamen, für seine Spezies typischen Schrei aus, der irgendwo zwischen dem Ruf eines Vogels und dem Miauen einer Katze lag.
Diane Frys Bericht zufolge hätten Mr. und Mrs. Ridgeway dies mit Abscheu zur Kenntnis genommen. Falls die Grauhörnchen sich hier vermehrten, würden sie stets Nachwuchs produzieren, der den Garten der Nachbarn plünderte.
Coopers Schicht ging dem Ende zu. Sein Detective Inspector schien ihn vergessen zu haben, Fry hatte Foxlow bereits verlassen, und niemand hatte etwas von Überstunden gesagt. Der morgige Tag würde allerdings hektisch werden. Bis dahin würden bestimmt einige Spuren auftauchen, die es zu verfolgen galt. Dann würde es plötzlich einen immensen Bedarf nach Personal geben, und alle würden mobilisiert werden. Das Beste war, die Ruhe vor dem Sturm zu genießen.
Cooper ging zurück ins Haus. Die Zimmer im Erdgeschoss waren voller Leute. Er hörte sie Schubladen öffnen, Fotos machen, mit Dokumenten rascheln, miteinander reden und lachen. Vermutlich hielten sich in Bain House momentan mehr Menschen auf, als im ganzen letzten Jahr Besucher die Türschwelle überschritten hatten. Wenn Rose Shepherd jetzt hereingekommen wäre, hätte sie ihr Zuhause nicht wiedererkannt. Sie wäre ebenso schockiert gewesen wie Eltern, die unerwartet nach Hause kamen und mit Entsetzen feststellten, dass ihre Kinder die Möbel verschoben, die Teppiche zusammengerollt
und eine Party gegeben hatten, die außer Kontrolle geraten war.
Als Cooper sich vorstellte, wie verdutzt sie gewesen wäre, erinnerte er sich an den vierten Verbrechensschauplatz. Der lag in diesem Augenblick in der Leichenhalle und wartete darauf, untersucht zu werden, um irgendwelche Informationen zu liefern. Es handelte sich dabei um Rose Shepherds Leichnam.
Nachdem Fry Gavin Murfin Instruktionen gegeben und ihn in der West Street abgesetzt hatte, fuhr sie auf direktem Weg zurück in die Darwin Street. Zumindest tat sich hier etwas. Die zuständigen Personen versammelten sich, unter ihnen auch der Divisionsleiter der Feuerwehr und sein Untersuchungsteam. Sie hatten den Auftrag, mit dem verantwortlichen Ermittler der Polizei zusammenzuarbeiten – und das war im Moment sie.
Die nächste
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