Todesnacht - Booth, S: Todesnacht - Scared to Live
einst typisch für die britische Landwirtschaft waren. Die Tiere wurden mit Produkten gefüttert, die auf der Farm angebaut wurden, und im Gegenzug lieferten sie den Dünger für die Felder für die nächste Ernte. Für Ben und Matt, die auf der Farm aufgewachsen waren, war dies ein so logischer und natürlicher Kreislauf gewesen, dass sie angenommen hatten, es werde immer so weitergehen. Doch bereits in den
1990er-Jahren waren Mischfarmen zu einer altmodischen Exzentrizität geworden.
Vielleicht hätte sich ihr Vater nicht allzu sehr daran gestört. Joe Cooper hatte niemals wirklich großes Interesse an der Farm gehabt. Selbstverständlich hatte er trotzdem gelegentlich die Ärmel hochgekrempelt, um mit anzupacken. Die obersten Hemdknöpfe geöffnet, hatte er ein Stück verletzliche weiße Haut zur Schau gestellt, während er mit einem stolzen Lächeln an der Seite seiner beiden Söhne arbeitete. Das war eines jener unvergänglichen Bilder, die Ben noch immer mit sich herumtrug – wenngleich ihm sein Vater damals nicht im Entferntesten verletzlich vorgekommen war. Er hatte den Eindruck gehabt, als würde Sergeant Joe Cooper genauso wie die Farm ewig überdauern.
Ben hatte versucht, sich anzugewöhnen, sich an diese glücklicheren Bilder zu erinnern, anstatt an jenes, das ihn seit Jahren quälte: die blutüberströmte Leiche auf den Pflastersteinen, die er selbst niemals gesehen hatte. Ein paar von den Jugendlichen, die für Joe Coopers Tod verantwortlich waren, hatten ihre Haftstrafe bereits verbüßt und waren wieder auf freiem Fuß. Zwei Jahre für Totschlag, das war alles gewesen. Ersttäter, natürlich. Ben wusste, dass ihm sicher bald einer von ihnen über den Weg laufen würde. Vermutlich war es sinnlos, zu hoffen, dass er ihn nicht erkennen würde.
»Schlimme Sache, das mit dieser Familie in Edendale«, sagte Matt, nachdem er seinen Bruder vor dem Haus begrüßt hatte. »Das Feuer, meine ich.«
»Ja, wirklich schlimm.«
»Arbeitest du an der Sache?«
»Wir wissen noch nicht, ob es böswillige Absicht war oder nicht.«
»Es ist nicht gut, wenn Kinder betroffen sind, was auch immer es war.«
Matt zog im Windfang seine Stiefel aus und streifte seinen
Overall ab. Sofort sprang eine getigerte Katze auf und inspizierte den Overall, um zu prüfen, ob er ein brauchbares Bett abgeben würde.
»Ich war vorher unten in Foxlow«, erzählte Ben. »Dort wurde jemand erschossen.«
»Ja, das habe ich gehört«, sagte Matt.
»Tatsächlich?«
»Neville Cross hat die Leiche gefunden, nicht wahr?«
»Na ja, nicht ganz. Aber er hat die Polizei verständigt.«
»Neville ist der Vertreter der National Farmers’ Union, weißt du.«
»Dann hat die Gerüchteküche der Farmer also gebrodelt, oder?«
»Könnte man so sagen.«
Matt streichelte geistesabwesend die Katze. Ihr Kopf verschwand fast vollständig unter seiner riesigen Hand. Nur ihre Ohren schauten hervor, die von den Vibrationen ihres tiefen Schnurrens zitterten.
»Komm mal mit ins Büro, Ben. Ich möchte dir was zeigen.«
»Haben da drin überhaupt zwei Leute Platz?«
»Wenn es dir nichts ausmacht, dir deine Atemluft mit einem stinkenden alten Hund zu teilen.«
Das Farmbüro war eng und unordentlich. Büroarbeit war der Aspekt des Farmerdaseins, dem Matt am allerwenigsten Aufmerksamkeit widmete, da sie mit einem Aufenthalt im Haus verbunden war. Gelegentlich kam Kate herein, um bei den Schreibarbeiten zu helfen und für eine gewisse Ordnung im Chaos zu sorgen. So schlugen sich die beiden Jahr für Jahr durch und brachten ihren Steuerberater auf die Palme. »Ich bin Landwirt und kein Buchhalter«, sagte Matt immer. Doch tief in seinem Inneren wusste er vermutlich, dass diese Schwäche der Grund dafür war, dass er letztendlich zum Scheitern verurteilt war. Heutzutage mussten Farmer vor allem Manager und Unternehmer sein, wenn sie überleben wollten.
Matt ließ sich auf dem Bürostuhl vor dem Computer nieder. Da er mit zunehmendem Alter immer fülliger wurde, wirkte er zu wuchtig für den Schreibtisch, als säße ein Erwachsener in einem Klassenzimmer für Grundschüler.
»Ich habe im Internet nachgesehen«, sagte er.
»Verflucht, wir müssen auf dich aufpassen. Wenn du so weitermachst, wirst du noch im einundzwanzigsten Jahrhundert ankommen.«
Matt machte ein finsteres Gesicht. »Das meiste im Internet ist ein Haufen Mist.«
»Ja, da hast du vermutlich recht.«
»Genau genommen habe ich noch nie so viel Mist gesehen.«
»Man muss lernen, den
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