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Todesregen

Todesregen

Titel: Todesregen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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Ursprung außerhalb dieser Welt hatten.

6
    Obwohl es in Küche und Wohnzimmer würzig nach Kaffee duftete, glaubte Molly, den schwachen, eigentümlichen Geruch des Regens wahrzunehmen, der aus der durchtränkten Nacht durch die Wände drang.
    Sie und Neil hockten vor dem Fernseher auf dem Boden, Schrotflinte und Pistole in Reichweite, und aßen Sandwiches mit Huhn und Kartoffelchips.
    Am Anfang spürte sie keinen Appetit. Schon beim ersten Bissen merkte sie jedoch, dass sie einen Bärenhunger hatte.
    Keine Mahlzeit hatte je so köstlich geschmeckt wie diese. Das Huhn war saftiger, die Mayonnaise cremiger, die sauren Gurken waren knackiger und die Chips knuspriger als alles, was sie je gegessen hatte. Jeder Geschmack war aufs Feinste verstärkt.
    Vielleicht nahm ein Häftling, der in seiner Zelle vor der tödlichen Spritze das Henkersmahl aß, Geschmack und Konsistenz des Essens ebenso intensiv wahr.
    Auf dem Bildschirm fiel silberblauer Schnee in den französischen Alpen, in den Bergen von Colorado, auf die Straßen von Moskau. Jede Szene sah aus, als wäre sie mit Flitter überzogen wie eine Weihnachtskarte.
    Noch nie hatten die Kuppeln und Türme des Kremls so magisch ausgesehen. Alle schimmernden Schatten auf den funkelnden Boulevards und Plätzen schienen Elfen, Kobolde und andere Märchengestalten zu beherbergen, die jeden Augenblick zum Vorschein kommen konnten, um
ausgelassen umherzutanzen und akrobatische Kunststücke vorzuführen.
    Die ätherische Schönheit des glitzernden blauen Schnees wies darauf hin, dass das, was gerade geschah, nicht ganz ohne jeden positiven Aspekt sein konnte.
    In Denver waren Kinder von dem blauen, leuchtenden Schneefall auf die Straße gelockt worden, obwohl die Dämmerung noch nicht angebrochen war. Sie tollten herum und veranstalteten Schneeballschlachten.
    Ihre Begeisterung und ihr helles Lachen entlockte dem vor Ort befindlichen Fernsehreporter ein hoffnungsvolles, wenn auch etwas unsicheres Lächeln. »Eine weitere bemerkenswerte Eigenschaft dieses merkwürdigen Phänomens – der Schnee riecht irgendwie nach Vanille«, sagte er.
    Molly fragte sich, ob die Nase des Burschen wohl empfindlich genug war, um einen gewissen, wesentlich weniger angenehmen Geruch wahrzunehmen, falls der dort überhaupt existierte.
    »Vanille, durchsetzt mit dem Duft von Orangen«, fuhr der Reporter fort.
    Vielleicht roch der Regen auch hier in den San Bernardino Mountains nicht mehr so wie in dem Augenblick, in dem Molly zu den Kojoten auf die Veranda getreten war. Womöglich bot die Nacht nun den verführerischen Duft einer Konditorei.
    Der Reporter hob die Hand, um den Kameramann zu einem Schwenk aufzufordern, und wies auf das winterliche Panorama: die verschneite Straße, die hoch mit flaumigem, glitzerndem Schnee beladenen Äste der Nadelbäume, die warmen, bernsteinfarbenen Lichter der Häuser, die sich in das unglaubliche Blau schmiegten.
    »Es ist unbeschreiblich schön«, sagte er, »wie eine Szene aus einem Wintermärchen, nur ohne Frau Holle und die Goldmarie.«

    Nach einem Hundertachtzig-Grad-Schwenk hielt die Kamera inne und zoomte eine Gruppe von Kindern heran, die im Schnee spielten.
    Ein etwa siebenjähriges Mädchen hielt einen Schneeball in den behandschuhten Händen.
    Statt ihn auf einen Spielkameraden zu werfen, leckte es daran wie an einer jener Süßigkeiten aus gemahlenem Eis und farbigem Sirup, die auf dem Rummelplatz und in Vergnügungsparks verkauft werden. Mit blau gefärbten Lippen lachte es in die Kamera.
    Ein älterer Junge ließ sich anstecken und biss ebenfalls in seinen Schneeball. Er schien den Geschmack zu mögen.
    Der Anblick brachte Molly so durcheinander, dass sie ihr Sandwich weggelegt hätte, wenn sie damit nicht schon fertig gewesen wäre.
    Sie erinnerte sich daran, wie unrein der Regen sich angefühlt hatte. Nie hätte sie das Gesicht zum Himmel gewendet und den Mund geöffnet, um das herabströmende Wasser zu trinken.
    Offenbar war Neil vom Anblick der Schnee essenden Kinder ebenso entsetzt wie Molly, denn er griff nach der Fernbedienung und suchte nach einem anderen Nachrichtensender.

7
    Im Bemühen, das Bild der Kinder, die den unreinen Schnee aßen, zu verdrängen, schritt Molly auf und ab und trank zu viel Kaffee.
    Neil hockte immer noch am Boden und zappte.
    Egal, ob er sich auf der Programmliste nach oben oder unten vorarbeitete, es waren inzwischen mehr Sender als vorher so schlecht zu empfangen, dass man kaum noch etwas erkennen konnte. Außerdem

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