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Todesreigen

Titel: Todesreigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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zu lassen. Er kam bei kaltem Wetter selten vor die Tür – selbst an behindertengerechten Orten kam man bei Eis und Schnee oft schlecht zurecht – und war sowieso nie der Typ gewesen, der sich gern im Freien aufhielt, auch nicht vor seinem Unfall. Jetzt aber war er selbst überrascht, wie sehr er es genoss, die trockene Kälte auf seinem Gesicht zu spüren, den Atem aus seinem Mund entweichen und in der kristallklaren Luft verschwinden zu sehen, den Rauch von Kaminfeuern zu riechen.
    Der Fall war im Wesentlichen abgeschlossen. Richard Musgrave befand sich in einer Arrestzelle in Garden City. Die Feuerwehr hatte das Wohnzimmer in Susans Haus gesichert, indem sie das Sofa hinausgetragen und das Kerosin, mit dem Dalton sie hatte umbringen wollen, entfernt oder neutralisiert hatte. Susan selbst hatte das Okay von den Sanitätern bekommen. Die Polizei des Nassau County hatte den Tatort untersucht, und Sachs hockte gerade mit zwei Detectives zusammen. Es bestand kein Zweifel, dass sie sich korrekt verhalten hatte, als sie Anthony Dalton erschossen hatte, trotzdem würde eine routinemäßige Untersuchung der Todesschüsse stattfinden. Die Polizisten beendeten ihre Befragung, wünschten ihr frohe Weihnachten und gingen durch den knirschenden Schnee zum Van, wo sie sich ein paar Minuten lang mit Lincoln Rhyme unterhielten; sie kannten den Ruf des Kriminalisten und konnten es kaum fassen, dass er hier in ihrem Revier auftauchte.
    Nachdem die Detectives abgefahren waren, traten Susan Thompson und ihre Tochter auf den Van zu. Die Frau bewegte sich steif und zuckte gelegentlich zusammen.
    »Sie sind also Mr. Rhyme.«
    »Lincoln, bitte.«
    Susan stellte sich vor und dankte ihm überschwänglich. Dann fragte sie: »Wie, um alles in der Welt, sind Sie darauf gekommen, was Anthony vorhatte?«
    »Er hat es mir selbst gesagt.« Er warf einen Blick auf den Pfad, der zum Haus führte.
    »Der Pfad?«, fragte sie.
    »Ich hätte es aus den Spuren schließen können«, grummelte Rhyme, »wenn wir bloßüber eine komplette Ausrüstung verfügt hätten. Das wäre
effizienter
gewesen.«
    Als Naturwissenschaftler war Rhyme grundsätzlich skeptisch gegenüber Worten und Zeugen. Er nickte Sachs zu, die Rhymes Vergötterung physischer Beweismittel durch Fähigkeiten ausglich, die – mit seinen Worten – einen »Polizisten aus dem Volk« auszeichneten. Sachs erklärte: »Lincoln hat sich daran erinnert, dass Sie im letzten Sommer in das Haus gezogen sind. Carly hatte es heute Morgen erwähnt.«
    Das Mädchen nickte.
    »Und als Ihr Ex heute Nachmittag bei Lincoln war, hat er behauptet, er hätte Sie seit letztem Weihnachten nicht mehr gesehen.«
    Susan runzelte die Stirn und sagte: »Das stimmt. Letztes Jahr hat er mir erklärt, er würde aus beruflichen Gründen für ein halbes Jahr weggehen. Deshalb brachte er mir zwei Schecks für Carlys Ausbildung ins Büro. Seitdem hab ich ihn nicht gesehen. Bis heute, meine ich.«
    »Aber er hat auch gewusst, dass der Pfad zu Ihrem Haus abfällt.«
    Rhyme übernahm jetzt selbst den Bericht. »Er sagte, der Pfad erinnere ihn an einen Skihang. Was bedeutete, dass er
hier
gewesen war. Und da er den Pfad mit diesen Worten beschrieb, wahrscheinlich erst irgendwann nach dem ersten Schneefall. Vielleicht hatte diese kleine Diskrepanz nichts zu bedeuten – vielleicht hatte er einfach etwas vorbeigebracht oder Carly abgeholt, als Sie nicht hier waren. Aber es bestand auch die Möglichkeit, dass er gelogen und Sie beobachtet hatte.«
    »Nein, soweit ich weiß, ist er nie hier gewesen. Er muss mich heimlich beobachtet haben.«
    Rhyme sagte: »Jedenfalls dachte ich, dass es sich lohnen könnte, die Sache etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Ich habe ihn überprüft und von seinen Aufenthalten in der Psychiatrie und im Gefängnis erfahren. Und auch von den Fällen von Körperverletzung bei zweien seiner letzten Freundinnen.«
    »Psychiatrie?« Carly schnappte nach Luft. »Körperverletzung?«
    Wusste das Mädchen nichts davon? Rhyme zog eine Augenbraue hoch und schaute fragend zu Sachs hinüber, die mit den Schultern zuckte. »Und am letzten Weihnachten, als er Ihnen von seiner Geschäftsreise erzählt hat… Nun ja, das ›Geschäft‹ war ein sechsmonatiger Aufenthalt in einem Gefängnis in Jersey wegen aggressivem Verhalten im Straßenverkehr und Körperverletzung. Er hätte einen anderen Mann wegen eines Blechschadens beinahe umgebracht.«
    Susan runzelte die Stirn. »Von dieser Sache wusste ich nichts, auch

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