Todesreigen
nicht, dass er andere verletzt hat.«
»Also haben Sachs, Lon und ich ein bisschen spekuliert. Wir haben auf Verdacht eine Anordnung zur Überprüfung seiner Anrufe erwirkt. Dabei stellte sich heraus, dass er Musgrave in den letzten paar Wochen Dutzende Male angerufen hat. Lon hat ihn überprüft und festgestellt, dass er auf der Straße den Ruf eines bezahlten Schlägers hat. Ich vermutete, dass Dalton im Gefängnis jemanden kennen gelernt hat, der den Kontakt zu Musgrave arrangierte.«
»Er hätte mir nie etwas angetan, solange mein Vater noch lebte«, sagte Susan und erklärte, wie es ihrem Dad gelungen war, ihr den gewalttätigen Mann vom Leib zu halten.
Die Worte der Frau waren für alle bestimmt gewesen, die sich hier im Schnee um den Van gruppiert hatten. Aber ihre Augen waren auf Carly gerichtet. Die Beichte, dass ihre Mutter sie über Jahre hinweg über ihren Vater belogen hatte, war schwer zu verdauen.
»Als der Plan mit Musgrave heute Nachmittag schief ging, beschloss Dalton, die Sache selbst in die Hand zu nehmen.«
»Aber… nein, nein, nein, doch nicht Dad!«, flüsterte Carly. Zitternd trat sie von ihrer Mutter weg; über ihre roten Wangen liefen Tränen. »Er… das kann nicht wahr sein! Er war so nett! Er…«
Susan schüttelte den Kopf. »Schatz, es tut mir Leid, aber dein Vater war ein kranker Mann. Er wusste, wie man eine perfekte Fassade aufbaut, er war wirklich charmant – so lange, bis er entschied, jemandem nicht mehr zu vertrauen, oder bis man etwas tat, das ihm nicht passte.«
Sie legte den Arm um ihre Tochter. »Erinnerst du dich an die Reisen nach Asien, die er unternahm? Das waren die Zeiten, die er im Krankenhaus oder im Gefängnis verbracht hat. Weißt du, wie ich immer behauptet habe, ich würde überall anstoßen?«
»Du warst ungeschickt«, sagte das Mädchen mit leiser Stimme. »Du meinst doch nicht…«
Susan nickte. »Es war dein Vater. Er stieß mich die Treppe hinunter, er schlug mich mit dem Nudelholz, mit Verlängerungskabeln und Tennisschlägern.«
Carly wandte sich ab und starrte auf das Haus. »Du hast immer gesagt, was für ein guter Mann er wäre. Das Einzige, was ich immer dachte, war, na ja, wenn er so verdammt gut war, warum wolltest du nicht wieder mit ihm zusammen sein?«
»Ich wollte dich vor der Wahrheit schützen. Ich wollte, dass du einen liebevollen Vater hast. Aber ich konnte dir keinen geben… er hasste mich so sehr.«
Doch die junge Frau blieb distanziert. Jahre voller Lügen, auch wenn sie in bester Absicht geäußert worden waren, würden nicht von heute auf morgen zu verdauen sein, geschweige denn zu verzeihen.
Wenn sie denn überhaupt je verziehen werden konnten.
Von der Haustür her waren Stimmen zu hören. Die Assistenten des Gerichtsmediziners im Nassau County rollten Anthony Daltons Leiche aus dem Haus.
»Schatz«, begann Susan. »Es tut mir Leid, ich…«
Doch die junge Frau hob die Hand, um ihre Mutter zum Schweigen zu bringen. Sie sahen zu, wie die Leiche in den Wagen der Gerichtsmedizin geladen wurde.
Susan wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Sie sagte: »Schatz, ich weiß, dass es alles zu viel für dich ist… Ich weiß, dass du wütend bist. Ich habe kein Recht zu fragen… Aber könntest du nur eine einzige Sache tun, um mir zu helfen? Ich muss allen, die morgen kommen wollen, Bescheid geben, dass wir absagen. Es wird zu spät, wenn ich sie alle selbst anrufen muss.«
Die junge Frau starrte dem Wagen hinterher, der sich auf der verschneiten Straße entfernte.
»Carly«, flüsterte ihre Mutter.
»Nein.«
Susan nickte wissend; Tränen der Resignation und des Schmerzes strömten ihr übers Gesicht. »Sicher, mein Liebling, das versteh ich. Es tut mir Leid. Ich hätte nicht fragen sollen. Geh nur zu Jake. Du musst nicht…«
»Das meine ich nicht«, erklärte das Mädchen schroff. »Ich meine, dass wir die Party nicht absagen.«
»Aber wir können doch nicht feiern, nicht nach all dem…«
»Warum nicht?«, fragte ihre Tochter mit harter Stimme.
»Aber…«
»Wir werden unsere Party feiern«, erklärte Carly bestimmt. »Wir werden irgendwo einen Raum in einem Restaurant oder Hotel finden. Es ist zwar schon spät, aber wir müssen ein paar Anrufe machen.«
»Und du meinst, das sollten wir tun?«, fragte Susan.
»Ja«, sagte die junge Frau. »Das sollten wir.«
Susan lud auch Rhyme, Sachs und Thom zur Party ein.
»Es könnte sein, dass ich schon andere Verpflichtungen habe«, sagte Rhyme schnell. »Ich muss erst
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