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Todesreigen

Titel: Todesreigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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wählte die Nummer des Sheriff-Büros. Sie musste nur eine einzige Taste drücken; schon vor einer Ewigkeit hatten sie die Nummer eingespeichert.
    Ron trat auf die hintere Veranda und schaute nach draußen.
    Die Stunden nach dem Abendessen an einem kühlen Frühlingsabend wie diesem waren in Locust Grove die friedvollsten Momente des Jahres. Der Vorort lag beruhigende zweiunddreißig Meilen von New York City entfernt, am North Shore von Long Island. Ein paar wirklich wohlhabende Leute wohnten hier – sowohl neues Geld als auch ein paar Rockefeller- und Morgan-Abkömmlinge. Dann gab es noch die aufstrebenden Reichen, ein paar bekannte Künstler und einige Chefs von Werbeagenturen. Überwiegend allerdings setzte sich die Bevölkerung des Dorfes aus Leuten wie den Ashberrys zusammen. Sie lebten komfortabel in ihren Sechshunderttausend-Dollar-Häusern und pendelten mit der Long Island Railroad zu ihren Managerposten bei Verlagen oder Computerfirmen auf Long Island.
    An diesem Aprilabend stand der Hartriegel in Blüte, und der Duft von Mulch und frisch gemähtem Gras erfüllte die neblige Luft. Und in den Büschen auf der anderen Straßenseite, gegenüber von Ron Ashberrys Haus, kauerte die bedrohliche Gestalt des jungen Harle Ebbers und starrte herüber zum Schlafzimmerfenster der sechzehnjährigen Gwen.
    Oh, guter Gott, dachte Ron hoffnungslos. Nicht schon wieder. Es kann nicht schon wieder losgehen…
    Doris reichte ihrem Mann das schnurlose Telefon, und er fragte nach Sheriff Hanlon. Während er darauf wartete, zu ihm durchgestellt zu werden, atmete er den muffigen, metallischen Geruch des Fliegengitters ein, an das er den Kopf gelehnt hatte. Er schaute die vierzig Meter über seinen Garten hinweg auf den Busch, der zum festen Bestandteil seiner Tagträume und zum Mittelpunkt seiner nächtlichen Albträume geworden war.
    Es war ein Wacholder, knapp zwei Meter breit und einen Meter hoch, der einen kleinen Gemeindepark zierte. Und neben diesem trägen Busch hatte der zwanzigjährige Harle Ebbers die meiste Zeit in den letzten acht Monaten in einer eigenartigen Hockstellung verbracht und Gwen belauert.
    »Wie ist er rausgekommen?«, fragte sich Doris laut.
    »Ich weiß nicht, was es bringen soll«, mischte sich Gwen mit panischer Stimme von der Küche her ein, »wenn wir die Polizei anrufen. Er wird verschwunden sein, ehe sie hier eintreffen. Wie jedes Mal.«
    »Geh nach unten!«, rief Ron. »Lass ihn dich nicht sehen.«
    Das dünne blonde Mädchen, deren Gesicht schön wie Lladro-Porzellan war, trat einen Schritt zurück. »Ich hab Angst.«
    Doris, eine große, muskulöse Frau, die das Selbstbewusstsein jener ehrgeizigen Sportlerin ausstrahlte, die sie in ihren Zwanzigern tatsächlich gewesen war, legte einen Arm um ihre Tochter. »Keine Angst, Schatz. Dein Vater und ich sind hier. Er wird dir nichts tun. Hörst du?«
    Das Mädchen nickte unsicher und verschwand die Stufen hinunter.
    Ron Ashberry hatte seine kalten Augen auf die Gestalt neben dem Busch fixiert.
    Es lag eine grausame Ironie darin, dass die Tragödie ausgerechnet Gwen widerfahren war.
    Von Natur aus konservativ, hatte Ron stets Angst gehabt, wenn er mit der allgemeinen Vernachlässigung des Familienlebens in der Stadt konfrontiert wurde, in die er jeden Tag zur Arbeit pendelte. Abwesende Väter, cracksüchtige Mütter, Waffen und Gangs, kleine Mädchen, die sich prostituierten. Er hatte sich geschworen, dass seiner Tochter nie etwas Schlimmes passieren würde. Sein Plan war einfach: Er würde Gwen beschützen und auf die richtige Art erziehen, ihr gute moralische Werte vermitteln, familiäre Werte –über die, Gott sei Dank, inzwischen wieder viele Leute sprachen. Er würde dafür sorgen, dass sie in der Nähe ihres Zuhauses blieb, und darauf bestehen, dass sie gute Noten mit nach Hause brachte, verschiedene Sportarten lernte und musikalische und soziale Fähigkeiten entwickelte.
    Dann, an ihrem achtzehnten Geburtstag, würde er sie in die Freiheit entlassen. Dann würde sie alt genug sein, um die richtigen Entscheidungen zu treffen –über Jungen, über ihre Karriere, über Geld. Sie würde auf ein Ivy-League-College gehen und dann zurück an den North Shore ziehen, um zu heiraten oder Karriere zu machen. Es war richtige Arbeit, harte Arbeit, diese Kindererziehung. Aber Ron sah die Resultate seiner Bemühungen. Gwen hatte bei den Eignungstests zu dem einen Prozent der erfolgreichsten Teilnehmer gehört. Sie widersprach ihren Eltern nie; ihre Trainer

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