Todesreigen
Kopf. Warum war er so ruhig? Seine Hände zitterten nicht. Er blickte auch nicht um sich, nervös und so. Nichts in der Art. Er sagte: »Wenn ich gewollt hätte, dass Sie ins Gefängnis kommen, hätte ich vor ein paar Minuten diesen Streifenwagen angehalten. Aber ich sagte doch, dass ich das nicht tun würde. Und das werde ich auch nicht. Ich habe Ihnen mein Wort gegeben, dass ich den Cops nichts von Ihnen erzählen werde. Und daran werde ich mich halten. Sie anzuzeigen ist das Letzte, was ich vorhabe.«
»Und was
haben
Sie vor?«, brüllte ich. »Reden Sie schon!«
Dabei versuchte ich wieder, das Klebeband zu zerreißen. Als er mit einem Klicken die Klinge meines Messers zum Vorschein brachte, erinnerte ich mich an etwas, das ich ihm gesagt hatte.
Oh, Mann, nein… oh, nein.
Blind zu werden, wahrscheinlich. Das wäre das Schlimmste, das ich mir vorstellen kann.
»Was haben Sie vor?«, flüsterte ich.
»Was ich vorhabe, Jack?«, sagte Weller, wobei er mit dem Daumen über die Klinge des Buck-Messers strich und mir in die Augen schaute. »Gut, ich werde es Ihnen verraten. Ich habe den größten Teil meiner Zeit heute Abend damit verbracht, Ihnen zu beweisen, dass Sie mich besser nicht umbringen sollten. Und jetzt…«
»Was, Mann?
Was?
«
»Jetzt werde ich einige Zeit damit verbringen, Ihnen zu beweisen, dass Sie es besser doch getan hätten.«
Dann, ganz langsam, trank Weller seinen Scotch aus und stand auf. Mit diesem unheimlichen Lächeln im Gesicht trat er auf mich zu.
Ein guter Psychologe
»Zuerst dachte ich, es läge an mir… Aber inzwischen bin ich ganz sicher: Mein Mann versucht, mich in den Wahnsinn zu treiben.«
Dr. Harry Bernstein nickte und notierte nach kurzem Zögern pflichtbewusst die Worte seiner Patientin auf den Stenoblock, der auf seinen Knien lag.
»Ich meine nicht, dass er mich
irritieren
und durcheinander bringen will… Ich meine, er sorgt dafür, dass ich meine geistige Gesundheit anzweifle. Und das tut er mit Absicht.«
Patsy Randolph musste sich auf Harrys Ledersofa umdrehen, um ihrem Psychiater ins Gesicht sehen zu können. Obwohl er seine Praxis an der Park Avenue während der Sitzungen verdunkelte, konnte er die Tränen in ihren Augen erkennen.
»Sie sind sehr aufgebracht«, sagte er in freundlichem Ton.
»Natürlich bin ich aufgebracht«, sagte sie. »Und ich habe Angst.«
Diese Frau in den späten Vierzigern war seit zwei Monaten seine Patientin. Während ihrer gemeinsamen Sitzungen war sie mehrfach den Tränen nahe gewesen, hatte aber nie wirklich geweint. Tränen sind ein wichtiges Barometer für die emotionale Wetterlage. Manche Patienten halten es mehrere Jahre lang durch, vor ihren Ärzten nicht zu weinen, und wenn ihre Augen sich dann doch einmal mit Tränen füllen, reagiert jeder kompetente Therapeut und widmet sich ihnen mit voller Konzentration.
Harry musterte Patsy, die sich nun wieder abwandte und an einem Knopf des neben ihrem Oberschenkel liegenden Kissens herumspielte, aufmerksam.
»Sprechen Sie weiter«, ermunterte er sie. »Erzählen Sie mir davon.«
Sie zupfte ein Kleenex aus der Schachtel neben der Couch und tupfte damit ihre Augen ab, aber ganz vorsichtig; wie immer trug sie ein makelloses Make-up.
»Bitte«, sagte Harry mit sanfter Stimme.
»Es ist jetzt mehrere Male passiert«, begann sie widerstrebend.
»Letzte Nacht war es am schlimmsten. Ich lag im Bett und hörte diese Stimme. Zuerst konnte ich sie nicht deutlich verstehen. Dann sagte sie…« Sie zögerte. »Sie sagte, sie wäre der Geist meines Vaters.«
Bessere Motive bekam man als Therapeut kaum geliefert, also hörte Harry aufmerksam zu.
»Sie haben nicht geträumt?«
»Nein, ich war wach. Ich konnte nicht schlafen und war aufgestanden, um mir ein Glas Wasser zu holen. Dann fing ich an, im Apartment herumzulaufen. Einfach auf und ab. Ich war völlig fassungslos. Ich legte mich wieder ins Bett. Und diese Stimme, ich meine…
Peters
Stimme… Sie sagte, sie wäre der Geist meines Vaters.«
»Was hat er gesagt?«
»Er hat einfach drauflosgeredet und mir alle möglichen Dinge aus der Vergangenheit erzählt. Ereignisse aus meiner Kindheit. Ich weiß es nicht genau. Es war schwer zu verstehen.«
»Und über diese Ereignisse wusste Ihr Mann Bescheid?«
»Nicht über alle.« Ihre Stimme brach. »Aber er hätte sie herausfinden können, wenn er meine Briefe und Tagebücher durchgesehen hätte. Solche Dinge.«
»Sind Sie sicher, dass er es war, der gesprochen hat?«
»Es klang
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