Todesritual: Thriller (German Edition)
erreichten Trinidad am späten Nachmittag. Die Stadt war irgendwann vor 1890 in einer Zeitschleife stecken geblieben: ein ebenso belebtes wie lebendes Museum der spanischen Kolonialvergangenheit Kubas. Straßen mit Kopfsteinpflaster, das die Farbe und die Struktur von schmutzigem Eis besaß, und bunt gestrichene Häuser mit Terracottadach, deren sämtliche Türen und Fenster mit weißen Metallgittern verkleidet waren. Autos waren kaum zu sehen. Die Stadt war zu klein und ihre Bewohner entschieden zu arm, um sich welche leisten zu können. Ihre Ziele erreichten sie zu Fuß, auf klapprigen Drahteseln, auf dem Rücken eines Maultiers oder in eine Pferdekutsche gezwängt. Keine Staatspropaganda weit und breit, keine tyrannischen Erinnerungen an die Gegenwart, die die Illusion von der Vergangenheit hätten zerstören können.
Benny kurvte durch die Stadt und parkte schließlich am Ende einer verlassenen Straße. Max dehnte sich und schüttelte sich die Krämpfe aus den Beinen, er war heilfroh und dankbar, endlich aus dem klappernden, stickigen Schwitzkasten auf Rädern herauszukommen. Jede Neugier auf Kubas legendäre Oldtimer war ihm gründlich vergangen.
Sie marschierten los. Hier an der Karibikküste war es heißer und trockener, die Sonne schien heller und stechender als in Havanna. Sie brannte auf sie herab wie auf Ameisen, die unter die Lupe eines sadistischen Kindes geraten waren. Die Brise, die vom Escambray-Gebirge herabwehte, wirbelte den losen Sand zwischen den Pflastersteinen auf und trug den verdorbenen Gestank von nassen alten Schuhen mit sich – tatsächlich war es der Geruch der örtlichen Tabakverarbeitungs- und Zigarrenfabrik.
Die tristen Geschäfte, die für die Einheimischen den Grundbedarf des täglichen Lebens und für ausländische Besucher Touristenschnickschnack feilboten, waren armselig bestückt und schlecht beleuchtet. Touristen allerdings gab es reichlich: Sie fielen busladungsweise im Drei-Stunden-Takt in die Stadt ein, taperten in Herden hinter den Stadtführern im knallroten Poloshirt her, inspizierten die Kirchen, schossen Fotos vom hübschen Stadtzentrum und schauten sich in den Museen um, bevor sie am Ende in ein Lokal getrieben wurden, wo man aus Tonbechern trank und einzig und allein Canchánchara angeboten wurde, eine Mischung aus Wasser, Honig, Zitrone und Santero-Rum, eine Spezialität dieser Gegend. Benny zufolge schmeckte es wie kalter Tee mit Hustensaft. Es ging sanft und harmlos die Kehle hinunter, hatte aber kräftige Auswirkungen. Es machte die Touristen nicht so betrunken, dass sie nicht zu ihrem Bus zurückkehren konnten, erfüllte aber selbst den gelangweiltsten Weltreisenden mit einem fast glückseligen Gefühl des Wohlwollens und Wohlbefindens.
Wenn die Besucher wieder zu ihren wartenden Bussen getrieben wurden, wurden sie von den hartgesichtigen Kindern der Stadt umringt – fotogene kleine Spendensammler mit schmutzigem, knochigem Oberkörper, die um pesos convertibles bettelten. Wenn sie normale Währung bekamen, warfen sie das Geld auf die Straße, spuckten darauf und verfluchten ihre Wohltäter. Dann fragten sie nach richtigem Geld. Sobald die Touristen weg waren, legten die Kleinen ihre Einnahmen zusammen und teilten sie untereinander auf, während sie auf den nächsten Bus warteten.
Max und Benny kamen an einer Gruppe vorbei, die im Kreis sitzend einen Stapel Münzen unter sich aufteilte. Eine für dich, eine für mich. Alle gleich. Keine Streitereien, keine Klagen. Staatssozialismus leicht gemacht. Staatssozialismus ohne die Politik. Was würde aus ihnen werden, fragte sich Max, wenn das Regime ausstarb oder sich veränderte oder gestürzt wurde? Würden sie an diesen egalitären Prinzipien festhalten, oder würden sie lernen, die anderen auf der lebenslangen Jagd nach den flüchtigen Moneten über den Haufen zu rennen? Er kannte die Antwort. Es war überall dieselbe.
Nacho Savón war offensichtlich nicht allzu begeistert, Benny zu sehen. Er blieb in der Tür stehen und betrachtete seinen Freund mit finsterem Blick, wobei er die Tür, die leise in den Angeln quietschte und knirschte, auf und zu bewegte, wie im Takt mit seiner Unentschlossenheit. Er war ein kleiner Mann mit kräftigen Beinen und breitem Oberkörper und einer dichten, wilden Mähne aus ungekämmten grauen Haaren, die kerzengerade nach oben standen, als hätte er den Finger in eine Steckdose gesteckt, um genau diesen Look des schmutzigen Wischmopps im Windtunnel hinzukriegen.
Die beiden
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