Todesritual: Thriller (German Edition)
Eldons Tagesablauf gekannt und gewusst, wo er wohnte.
Eldon war ein leichtes Ziel gewesen, eine leichte Beute.
Wer hatte die Fotos geschossen?
Max stellte das Diagramm neben dem Bildschirm auf und griff nach der nächsten CD.
Nach und nach setzte Max, die ganze Nacht hindurch, die Puzzleteile zusammen und erfuhr, was Vanetta Brown widerfahren war.
Die CDs enthielten haufenweise streng geheime FBI-Dokumente, unter Verschluss stehendes Material, das nur Quinones besorgt haben konnte: Zeugenaussagen, Abschriften von Abhöraktionen, über einhundert Fotos, kriminaltechnische Berichte und Autopsieergebnisse. Es war genug, um Eldon und alle, mit denen er je Geschäfte gemacht hatte, mehrmals zu ruinieren.
Und dann war da Joes Arbeit. Von 1985 bis März 2008 hatte er persönliche, private und hochgeheime Ermittlungen geführt. Er hatte in Nordamerika über zweihundert Personen befragt, jedes einzelne Wort aufgenommen und sowohl die Sound-Datei als auch die Abschrift gespeichert.
Max las. Max hörte zu. Max sah.
Je tiefer er vordrang, umso mehr verlor er alle seine Gewissheiten.
Er mochte es kaum glauben, aber er wusste: Es war die Wahrheit.
Er legte zwei Pausen ein. Die erste fürs Abendessen. Benny, die Familie Dascal und er hatten gemeinsam an einem Tisch gesessen und Kichererbsensuppe mit Speck und frisch gebackenes Brot gegessen.
Als Max wieder vor dem Computer saß, wurde ihm klar, dass er sich an das Abendessen praktisch nicht erinnerte. Er wusste nicht mehr, wie die Suppe geschmeckt hatte, ob er sie überhaupt gemocht hatte oder nicht. Noch viel weniger erinnerte er sich an Sarahs Familie, nur dass sie alle Englisch gesprochen hatten und dass es ein freundliches und oberflächliches Gespräch gewesen war. Gegen Ende hatte Sarah sie beide eingeladen, die Nacht bei ihnen zu verbringen. Er hatte sich bedankt, nahm er an. Er war weit weg gewesen, in Gedanken bei dem, was er gerade gelesen hatte, und dem, was ihn noch erwartete. Er hatte an Joe gedacht und an die Geheimnisse, die er für sich behalten hatte, die Dinge, die er aufgedeckt hatte, die Risiken, die er eingegangen war, ganz allein.
Noch mehr CDs. Noch mehr Pfeile, die nach oben und nach unten und zur Seite flogen und allesamt zu Eldon zurückführten, auf ihn zeigten und ihn anklagten, ihn durchsiebten.
Die Augen und der Kopf taten ihm weh, es wurde immer anstrengender, auf den Bildschirm zu schauen. Seine Hände zitterten. Er war wütend. Wütend auf eine Erinnerung. Wütend auf einen Geist. Die Anspannung presste ihm den Kopf zusammen, dann krampfte sie sich in seinem Nacken fest, drückte zu, immer enger, ließ nicht mehr los.
Er trat auf den Balkon hinaus, um Luft zu holen, aber es schüttete noch immer, und er war in Sekundenschnelle durchnässt. Es war ihm egal. Er stand mit geschlossenen Augen und offenem Mund da und ließ sich nassregnen. Drinnen trocknete er sich Gesicht und Hände am Vorhang ab.
Irgendwann zwischendurch hatte Benny das Radio eingeschaltet, das sogar Empfang hatte. Behutsam hatte er Max unterbrochen, um ihm mitzuteilen, dass in Kürze die Nachrichten kommen würden. Das Intro wehte schwach und altmodisch durchs Zimmer, als käme es aus einer Séance, dann folgte unverständliches spanisches Gebrabbel.
Benny übersetzte: Man hatte die Leichen der Polizisten am Straßenrand gefunden, berichtete der Sprecher. Die Polizei ging davon aus, dass sie auf das Konto des Duos gingen, das wegen der Morde in Havanna gesucht wurde. Wie man zu diesem Schluss gekommen war, erklärte er nicht, dafür pries er die beiden Polizisten als Helden der Revolution, junge Märtyrer, die für die Sicherheit aller Kubaner ihr Leben gegeben hatten. Dann wurde von dem gestohlenen Chevy Bel Air berichtet, der in Trinidad gefunden worden war. Die Verdächtigen, fuhr der Nachrichtensprecher fort, seien aller Wahrscheinlichkeit nach in Richtung Santiago de Cuba unterwegs. Zum guten Schluss erging er sich in einer Hetztirade gegen das unmenschliche US-Embargo und dass der imperialistische Nachbar seinen Bürgern nicht erlaube, nach Kuba zu reisen, weil er verhindern wolle, dass sie erfuhren, dass alles, was man ihnen über dieses Land erzählte, nur ein Netz aus Lügen und Desinformation war, das einzig und allein dazu diente, das barbarische und erbärmliche Embargo zu rechtfertigen. Aber, fuhr er fort, der imperialistische Rowdy sei gescheitert, weil viele seiner mutigen und intellektuellen Bürger trotzdem nach Kuba reisten. Man könne sie leicht
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